Mrs Murphy 03: Mord in Monticello
belasten.
Kimball wusste auch, dass Jefferson und Walker nach Jeffersons Rückkehr aus Frankreich politisch getrennte Wege gegangen waren. Harry Lee von der leichten Kavallerie, der Vater von Robert E. Lee, hatte sich später erboten, zwischen den zwei einstigen Freunden zu vermitteln. Da Harry Lee Thomas Jefferson verabscheute, stand das Ergebnis dieser Bemühungen von vornherein fest. Die Lage verschlimmerte sich, als James Thomas Callender, eine boshafte Klatschbase, die Flammen schürte. Zu dieser Zeit wurden die infamen Behauptungen, Jefferson schlafe mit seiner Sklavin Sally, in Umlauf gesetzt.
Bis zum Januar 1805 war dieses Gerücht so weit verbreitet, dass das New-England Palladium sich veranlasst sah, Jeffersons Moral in aller Deutlichkeit infrage zu stellen. Offensichtlich sei Mr Jefferson am Wert der Familie nicht gelegen.
Es flogen die Fetzen. Es gibt kaum einen stärkeren Cocktail als die Mixtur aus Politik und Sex. Die Getränke gingen im wahrsten Sinne des Wortes auf Kosten des Hauses. Der Kongress suhlte sich im Klatsch. Daran hat sich bis heute nichts geändert, dachte Kimball.
Irgendwann gab Jefferson zu, Mrs Walker umworben zu haben, was die Sache noch undurchsichtiger machte. Als echter Gentleman nahm Jefferson alle Schuld an der Affäre auf sich, die, wie er betonte, vor seiner Heirat stattgefunden habe. Damals musste ein Mann sich zur Schande bekennen, egal, was tatsächlich passiert war. Gab er der Dame die Schuld, war er kein Mann.
Wegen seiner ehrenhaften Haltung ließen sogar Jeffersons politische Feinde ihm die Affäre durchgehen. Alle sahen sie ihm nach, ausgenommen John Walker. Erst als Walker auf seinem Gut Belvoir in Keswick im Sterben lag, räumte er ein, dass Jefferson ebenso Opfer der Sünde wie Sünder war. Aber da war es zu spät.
Die Sally-Hemings-Geschichte indes hatte dem Präsidenten geschadet. Ein Weißer, der mit einer Schwarzen schlief – das stellte ein besonders mysteriöses Rätsel dar. So etwas durfte ein Gentleman nicht zugeben. Es hätte seine Ehefrau zugrunde gerichtet und endlose Witze über ihn entstehen lassen. Ein einziges rothaariges afroamerikanisches Kind in Monticello, und schon waren die Puppen am Tanzen. Ein buchstäblicher Schuss ins Schwarze. Das kleine Wortspiel war in den frühen 1800er-Jahren von Maine bis South Carolina verbreitet. Oh, wie müssen sie in den Wirtshäusern gelacht haben. »Ein Schuss ins Schwarze.«
Es war dem Fall Jefferson nicht eben förderlich, dass in Monticello tatsächlich einige hellhäutige Afroamerikaner zur Welt kamen, die eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Master hatten. Allerdings war Thomas, wie Kimball wusste, nicht der einzige Mann weit und breit, in dessen Adern Jefferson-Blut floss.
Wenn nun ein Vetter eine Affäre mit Sally gehabt hätte? Dem aristokratischen Ehrenkodex verpflichtet, hätte Jefferson trotzdem schweigen müssen, sonst hätte er der Ehefrau des Lebemannes unendliches Leid zugefügt. Ein Gentleman hat eine Dame immer zu schützen, ungeachtet, in welcher Beziehung er zu ihr steht. Ein Gentleman konnte sich auch bemühen, eine farbige Dame zu schützen, indem er schwieg, ihr Geld gab und andere Gefälligkeiten erwies. Schweigen war das Schlüsselwort.
Eines war gewiss: Wenn der Master mit einer Sklavin schlafen wollte, hatte die Frau keine andere Wahl, als Ja zu sagen. Aus dieser Wahrheit kam das lyrische Herzeleid, von dem schwarze Frauen von einer Generation zur anderen sangen. Auch weißen Frauen brach es das Herz.
Sterne glitzerten am Himmel, die Milchstraße wölbte sich über den Gebäuden, wie sie es vor Jahrhunderten auch schon getan hatte. Kimball war sich darüber im Klaren, dass dieser Mord etwas mit Thomas Jeffersons Privatleben zu tun haben konnte oder auch nicht, dass er aber bestimmt etwas zu tun hatte mit einer leidenschaftlichen Beziehung zwischen einem weißen Mann und einer schwarzen Frau.
Das Sklavenverzeichnis wollte er morgen durchgehen. Heute Nacht war er zu müde.
21
In der lutherischen Kirche von Crozet drängten sich die Menschen, die gekommen waren, um Wesley Randolph die letzte Ehre zu erweisen. Die Angehörigen des Verstorbenen, Warren, Ansley, Stuart und Breton, saßen in der ersten Reihe. Kimball Haynes, seine Assistentin Heike Holtz, Oliver Zeve und seine Frau sowie das übrige Personal von Monticello hatten sich eingefunden, um einem Mann Lebewohl zu sagen, der ihre Sache in mehr als fünfzig von seinen dreiundsiebzig Lebensjahren unterstützt
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