Mrs Murphy 03: Mord in Monticello
dich zum Essen eingeladen – nach dem Motto, der arme, alleinstehende Mann. Mich dagegen haben sie regelrecht verdammt. Wie konnte ich nur meinen auf Abwege geratenen Ehemann hinauswerfen? Es liege nun mal in der Natur des Mannes, ein bisschen herumzustreunen. Nur Mist habe ich von den anderen Frauen zu hören gekriegt. Die Männer waren wenigstens so vernünftig, die Klappe zu halten.«
Fair hörte auf, das dicke Gummi durchzuschneiden. Ihm lief der Schweiß herunter, obwohl die Temperatur keine zehn Grad betrug. »Das macht das Leben doch interessant.«
»Was?« Die bloße Erinnerung machte sie wütend. »Dass man es mit Blödmännern zu tun hat?«
»Nein – dass jeder von uns einen Ausschnitt vom Leben sieht, ein, zwei Grade aus dem Kreis, aber nie das ganze Rund. Während du Saures bekamst, bekam ich von gewissen älteren Männern wie Herbie Jones oder Larry Johnson was zu hören.«
»Herbie und Larry?« Harrys Interesse war auf einmal hellwach. »Was haben sie gesagt?«
»Im Wesentlichen, dass wir alle Sünder sind und ich dich um Verzeihung bitten soll. Weißt du, wer mich noch zu einem Gespräch gebeten hat? Jim Sanburne.«
»Nicht zu glauben.« Sie war seltsam gerührt von diesem Zusammenhalt der Männer.
»Harry, er ist ein ungewöhnlicher Mensch. Er sagte, sein Leben sei nicht mustergültig, und dass Untreue sein verhängnisvoller Fehler sei, das wisse er. Er hat mich wirklich verblüfft, denn er ist viel selbstbewusster, als ich dachte. Er sagte, er habe in jungen Jahren mit Affären angefangen, weil Mim ihn immer als den armen Jungen behandelt habe.«
»Er hat gelernt, wie man in Windeseile zu viel Geld kommt.« Harry hatte Leute, die es aus eigener Kraft zu etwas brachten, immer bewundert.
»Ja, und er hat keinen Penny von ihrem Erbe angerührt. Die Seitensprünge waren nicht nur seine Methode, es ihr heimzuzahlen, sie haben auch sein Selbstvertrauen wiederhergestellt.« Fair setzte sich für eine Minute hin. Tucker kam sofort zu ihm und setzte sich auf seinen Schoß.
»Ach, Tucker, immer musst du dich bei den Menschen einschmeicheln«, warf ihr Pewter vor, ihrerseits das Urbild einer Arschkriecherin, sobald eine Kühlschranktür geöffnet wurde.
»Pewter, du bist doch bloß eifersüchtig«, zog Mrs Murphy sie auf.
»Nein, bin ich nicht«, verteidigte sich Pewter. »Aber Tucker macht es so – so offensichtlich. Hunde haben keine Raffinesse.«
»Pewter, du quasselst wie eine aufgezogene Sprechpuppe.« Harry streckte die Hand aus und streichelte ihr Kinn.
»Zum Kotzen«, sagte Tucker.
»Und warum bist du fremdgegangen?« Harry hatte gedacht, diese Frage würde ihr schwerfallen, aber im Gegenteil. Sie war froh, dass es endlich heraus war, auch wenn sie drei Jahre dazu gebraucht hatte.
»Aus Dummheit.«
»Die Antwort ist selten geschmacklos.«
»Sei nicht so gereizt, ich war wirklich dumm. Ich war unreif. Ich hatte Angst, etwas zu versäumen. Eine Rose nicht gerochen, eine Straße nicht gegangen, dieser ganze Blödsinn. Ich weiß nur, dass ich das Erwachsenwerden noch nachholen musste, als wir schon verheiratet waren – ich hatte mich in meiner eigentlichen Jugend so tief in die Lehrbücher vergraben, dass ich viel von der Lebenserfahrung versäumt hatte, durch die man erwachsen wird. Ich habe mich sozusagen selbst versäumt.«
Harry hörte auf, Ziegel zu verlegen, und setzte sich Fair gegenüber.
Er fuhr fort: »Mit wenigen Ausnahmen, wie etwa den Saab zu Schrott zu fahren, habe ich getan, was von mir erwartet wurde. Schätze, das tun die meisten von uns in Crozet. Ich glaube nicht, dass ich mich selbst sehr gut kannte, oder vielleicht wollte ich mich nicht kennenlernen. Ich hatte Angst vor dem, was ich herausfinden würde.«
»Zum Beispiel? Was hättest du an dir selbst bemängeln können? Du siehst gut aus, bist der Beste in deinem Fach und kannst gut mit Leuten umgehen.«
»Ich sollte öfter herkommen.« Er wurde rot. »Harry, ist dir das noch nie passiert, dass du auf der Garth Road fuhrst oder mitten in der Nacht aufgewacht bist und dich gefragt hast, verdammt, was tust du eigentlich, und warum tust du es?«
»Doch.«
»Hat mir Angst gemacht. Ich habe mich gefragt, ob ich so schlau bin, wie alle behaupten. Ich bin’s nicht. Ich bin gut in meinem Fach, aber auf anderen Gebieten bin ich manchmal dumm wie Bohnenstroh. Ich bin immer wieder an Grenzen gestoßen, und da ich in dem Glauben erzogen wurde, keine haben zu dürfen, bin ich vor ihnen davongelaufen – vor dir, vor mir.
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