Mrs Murphy 04: Virus im Netz
gab ihr einen Stups.
»Du bist gemein.«
Sie stapften zum Stall. Es war ein ziemlich weiter Weg. Mrs Murphy raste voraus, setzte sich hin, und sobald sie sich ihr näherten, raste sie wieder los. Tucker trottete neben den Menschen her.
Während sie das Werkzeug wegräumten, sagte Harry unvermittelt: »Susan, wann ist das Geld von der Bank verschwunden?«
»Letzte Woche, warum?«
»Keiner hat den genauen Zeitpunkt festgestellt, oder?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Es muss eine Möglichkeit geben, das rauszukriegen.« Harry griff nach dem Telefon in der Sattelkammer und rief Norman Cramer an. Sie bombardierte den erschöpften Mann mit Fragen, dann legte sie auf. »Er sagt, er weiß den Zeitpunkt nicht genau, aber ja, es könnte am ersten August angefangen haben.«
Susan schob den großen roten Werkzeugkasten in die Ecke der Sattelkammer. »Der verdammte Virus ist aktiv geworden, aber kommt es dir nicht komisch vor, dass andere Banken keine fehlenden Gelder melden?«
»Ja, das ist merkwürdig. Komm, gehen wir ins Haus.«
Harry setzte sich in der Bibliothek im Schneidersitz auf den Fußboden, wie sie es schon als Kind getan hatte. Sie war von Büchern umgeben. Sie blätterte in einem Lexikon, dem Oxford English Dictionary. Susan saß in Daddy Minors Sessel, die Füße auf dem Polsterhocker, und nahm sich einen Geschichtsatlas vor.
Mrs Murphy strich bei den Bücherregalen herum, Tucker hatte sich neben Harry gezwängt.
»Sie haben alle Bücher, die sie brauchen.«
Die Katze verkündete: »Da ist eine Maus in der Mauer. Die Bücher sind mir schnuppe.«
»Die kriegst du da nicht raus. Du hattest in letzter Zeit nicht viel Glück mit Mäusen.«
»Du hast ja keine Ahnung.«
»Sag mal, wo ist Paddy?« Tucker wollte wissen, wo Mrs Murphys Exmann, ein hübscher schwarz-weißer Kater mit dem Charme und Witz der Iren, zur Zeit lebte.
»Nantucket. Seine Leute fanden, auf der Insel würde es ohne ihn langweilig sein, drum nehme ich an, er ist dort, jagt Möwen und frisst eine Menge Fische.«
Harry schlug »thread« nach. Es nahm zwei Seiten der ungekürzten Ausgabe des Lexikons ein.
Sie fand »threadbare«, fadenscheinig, das im schriftlichen Gebrauch erstmals im Jahre 1362 nachgewiesen wurde. Zwischen der mündlichen Verwendung eines Wortes und seiner Niederschrift können Jahrzehnte liegen, was aber in diesem Fall keine Rolle spielte.
Ihr Blick glitt über das dünne, feine Papier. »Aha.«
»Was, aha?«
»Hör zu! ›Threadneedle‹ ist im schriftlichen Gebrauch erstmals 1751 nachgewiesen. Es ist ein Kinderspiel, bei dem sich alle die Hände reichen. Die Spieler am einen Ende der Menschenkette ziehen zwischen den letzten beiden am anderen Ende durch, danach ziehen alle anderen durch.«
»Ich sehe nicht, dass das irgendwas mit dem Problem zu tun hat.«
»Ich auch nicht.«
»Gibt es noch mehr Bedeutungen?«
»Ja. Als Verbform, ›thread the needle‹. Existiert schriftlich seit 1844. Es bezieht sich auf eine Tanzbewegung, wenn eine Dame unter den Armen ihres Partners durchgeht, wobei ihre Hände sich nicht loslassen.« Harry sah von dem Lexikon hoch. »Das hab ich nicht gewusst.«
»Ich auch nicht. Sonst noch was?«
»Es kann auch bedeuten, eine Gewehrkugel durch ein Bohrloch zu schießen, das kaum groß genug ist, dass die Kugel durchgeht, ohne das Loch zu vergrößern.« Harry klappte das dicke Buch mit einem schweren Plumps zu. »Was hast du gefunden?«
»Am 1. August 1137 starb König Ludwig VI. von Frankreich. Königin Anne von Britannien starb am 1. August 1714.« Sie las weiter. »Und 1914 hat Deutschland Russland den Krieg erklärt. Das hat nun in der Tat die Welt verändert.«
»Versuchen wir’s mit einem anderen Buch. Es muss was da sein, das uns bisher entgangen ist.«
»Es könnte ja auch ein Ablenkungsmanöver sein.«
»Ja, ich weiß, aber irgendwas an dieser Geschichte riecht nach Überlegenheit. Wer immer hier herumfummelt -«
»Stiehlt.«
»Richtig. Wer immer hier Geld stiehlt, will uns unter die Nase reiben, wie blöd wir sind.«
»Hier.« Mrs Murphy zog mit der Pfote ein anderes Buch heraus, in dem geschichtliche Ereignisse aufgelistet waren. Das Buch fiel auf den Boden.
»Murphy.« Harry drohte der Katze mit dem Finger. »So kannst du einem Buch den Rücken brechen.«
»Sei nicht so ekelhaft.«
»Widerworte.« Susan lachte. »Hört sich genau gleich an, ob nun bei Tieren oder bei Kindern.«
»Ich geb nie Widerworte«, behauptete Tucker.
»Lügnerin«, gab die Katze
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