Mrs Murphy 04: Virus im Netz
einzige Möglichkeit, wie wir lernen können, nicht selbstsüchtig zu sein.«
»Dann muss Aysha aber noch viel leiden.«
»Mir geht es ganz genauso mit einigen Leuten, die ich nicht besonders mag, aber wissen Sie, überlassen Sie sie dem Himmel. Vertrauen Sie mir.«
»Das tu ich ja, Reverend Jones, aber ich möchte Aysha leiden sehen. Ich habe keine Lust zu warten, bis ich vierzig bin. Eigentlich würde ich sie am liebsten umbringen.« Kerrys Unterlippe zitterte. »Und das macht mir Angst. Noch nie habe ich einen Menschen so gehasst wie sie.«
»Das wird vergehen, meine Liebe. Versuchen Sie, an etwas anderes zu denken. Legen Sie sich ein neues Hobby zu, machen Sie Urlaub, irgendwas, das Sie aus Ihrem Alltagstrott holt. Dann werden Sie sich besser fühlen, das verspreche ich Ihnen.«
Während Reverend Jones Kerry mit seiner Mischung aus Herzlichkeit und gesundem Menschenverstand gute Ratschläge gab, beendeten Susan und Harry die Reparaturen am Zaun.
Mrs Murphy jagte eine Maus. »Hab ich dich!« Sie schnappte nach der Maus, aber der kleine Teufel wand sich unter ihrer Pfote weg und huschte unter einen Haufen Zweige, den Harry beim Beschneiden der Bäume auf dem hinteren Grundstück aufgeschichtet hatte.
Tucker, ebenfalls auf Jagd, winselte: »Komm raus, du Feigling.«
»Das tun die nie.« Murphy untersuchte aber vorsichtshalber doch die Rückseite des Holzhaufens.
»Akazienpfosten sind schwer zu bekommen.« Harry bewunderte die Pfosten, die ihr Vater vor zwanzig Jahren eingesetzt hatte. »Die Bretter halten vielleicht fünfzehn Jahre, aber diese Pfosten werden mich wahrscheinlich überleben.«
»Du wirst ein langes Leben haben. Einmal wirst du sie ersetzen, bevor du den Löffel abgibst.« Susan hob ihren Hammer auf. »Ich sollte so was öfter machen. Kein Wunder, dass du nie ein Gramm zunimmst.«
»Das sagst du, dabei siehst du noch genauso aus wie damals, als wir auf der Highschool waren.«
»Ha.«
»Du brauchst das Kompliment ja nicht anzunehmen.« Harry grinste, klaubte Nägel von der Erde und stand auf. »Schade, dass wir nicht mehr Licht haben. Dann könnten wir über die Feldwege reiten.«
»Ja, schade. Dann lass es uns am Wochenende machen.«
»Hab ich dir eigentlich erzählt, was Mim auf ihrer Party zu mir gesagt hat? Sie sagte, dass Männer und Frauen keine Freunde sein können. Glaubst du das?«
»Nein, aber ich kann mir vorstellen, dass ihre Generation das glaubt. Ich habe massenhaft Freunde, und Ned hat Freundinnen.«
»Aber dann muss man sich über das Thema Sex einigen.«
Susan schwang ihren Hammer auf und ab. »Wenn ein Mann nicht davon anfängt, tu ich’s bestimmt nicht. Ich finde, das ist deren Problem, nicht unseres. Überleg mal. Wenn sie einer Frau gegenüber nicht zudringlich werden, haben sie sie dann beleidigt? Ich schätze, es ist noch viel komplizierter, als mir scheint, sie sind übel dran, wenn sie’s tun, und sie sind genauso übel dran, wenn sie’s nicht tun. Wenn wir ihnen andeuten, dass es okay ist, das Thema zu vergessen, ich glaube, dann werden die meisten sich daran halten. Außerdem, wenn ein Mann erst mal in ein gewisses Alter kommt, stellt er fest, dass die ersten drei Monate im Bett mit einer neuen Frau so aufregend sind wie immer. Was dann kommt, ist dieselbe alte Leier.«
»Bist du jetzt zynisch?«
»Nein, realistisch. Jeder, dem du im Leben begegnest, hat Probleme. Wenn du einen Menschen fallen lässt und einen anderen aufgabelst, hast du dir einen Haufen neue Probleme aufgehalst. Es kann höchstens sein, dass du mit den Problemen von Nummer zwei leichter zurechtkommst.«
»Ich sitze zwischen Nummer eins und Nummer zwei, und ich hab die Nase voll von Problemen. Ich sollte vielleicht Einsiedlerin werden.«
»Das sagen alle. Fair ist Nummer eins, und -«
»Es macht mich wütend, dass er denkt, er kann wieder in mein Leben tanzen.«
»Ja, das würde mich vielleicht auch ärgern, aber du musst ihm zugutehalten, dass er weiß, du bist die Richtige, und er hat’s verbockt.«
»Vervögelt.«
»Mutter, hack doch nicht dauernd auf ihm rum«, sagte Tucker.
»Jedenfalls, mein Standpunkt steht fest. Und was Blair angeht -«
»Blair hat sich nicht erklärt, deshalb nehme ich ihn nicht so ernst, wie ihr alle es tut.«
»Aber du magst ihn – ich meine, du magst ihn?« Susans Stimme klang erwartungsvoll.
»Ja – ich mag ihn.«
»Du kannst einen schon zum Wahnsinn treiben mit deiner Zurückhaltung. Wie gut, dass ich nicht in dich verliebt bin.« Susan
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