Mrs Murphy 05: Herz-Dame sticht
es ist das Warum. Da liegt die Gefahr.«
Addie weinte wieder. »Sie haben recht. Ich weiß, dass Sie recht haben.«
Beide Frauen trösteten sie, so gut sie konnten. Als Addie das Postamt verließ, kam sie an dem inzwischen leeren weißen Teller vorbei. Die Katzen waren neben dem Schauplatz ihres Verbrechens eingeschlafen.
10
Die Arbeit ging weiter, trotz des Kummers, mit dem Adelia Valiant zu kämpfen hatte. Die Pferde mussten gefüttert, abgespritzt, trainiert, gestriegelt, nach draußen gebracht werden und über eine Boxentür hinweg Zuspruch erhalten. Diese seltsam tröstende Routine betäubte Addies Gedanken.
Mim sagte, sie solle sich freinehmen, wenn sie es nötig hätte, doch Addie ritt weiter. Schließlich hatten sie und ihr Bruder noch andere Kunden, und wer zahlt, erwartet Resultate.
Das Vermögen der Valiants, gut achtzehn Millionen schwer, das noch zunahm durch kluge Investitionen, die von Arthur Tetrick getätigt wurden, hätte gewährleisten können, dass Adelia und Charles für ihr täglich Brot nicht zu arbeiten brauchten.
Doch Marylou hatte gesehen, welch unheilvolle Wirkung es haben konnte, wenn Kinder mit Massen von Geld gepolstert wurden, um die harten Schläge des Lebens abzufangen. Sie wollte nicht, dass ihre Kinder solch schwache, engstirnige Tyrannen wurden, wie sie sie oft beobachtet hatte. Sie wollte ihnen Mumm mitgeben.
Dem Treuhandvermögen wurde jährlich genug entnommen, um davon Unterkunft, Autos, Kleider, Dinge des täglichen Bedarfs zu bestreiten. Damit waren ihre Kinder gezwungen zu arbeiten, wenn sie mehr wollten. Wenn sie sich nach Adelias Volljährigkeit in vornehme Müßiggänger verwandelten, sei’s drum.
Aber die Geschwister mochten ihre Arbeit. Bei keinem von ihnen bestand ein Zweifel, dass sie weiterarbeiten würden, nachdem sie ihr Erbe angetreten hatten. Sie würden sich vielleicht einen eigenen soliden Stall aufbauen, doch sie wollten weiterhin trainieren und reiten.
Addies vergangene Drogenprobleme hatten mehr mit ihrer Persönlichkeit als mit ihrer Herkunft zu tun. Auch viele arme Jugendliche richteten sich mit Drogen zugrunde. Und viele arme Jugendliche gaben ihr Geld aus, sobald sie ihren Lohn erhielten. Addies Impulsivität und ihr Hang zu Ausschweifungen hatten nichts mit gesellschaftlichem Rang zu tun.
Addie rieb gerade das letzte Pferd für den Tag ab, einen langbeinigen Grauen, als der weiße Lieferwagen der Firma Southern States durch die Zufahrt gefahren kam.
»Der Futtermann.«
Chark rief vom anderen Ende des Stalles: »Ich kümmere mich darum. Mach du deine Sachen fertig.«
Als Addie die Beine des Grauen mit Blue Lotion abrieb, hörte sie die Metalltür des Lieferwagens aufklappen und den Rollwagen auf den Boden aufplumpsen, dann hörte sie das Stöhnen ihres Bruders und des Lieferanten, als sie Halbzentnersäcke Frischfutter mit 14 Prozent Proteingehalt auf den Rollwagen luden.
Nachdem sie die verzinkten Futtereimer gefüllt hatten – Mim dachte in ihrem Stall an alles, trotzdem fielen die Mäuse ein –, murmelte der Lieferant etwas zu Chark, dann fuhr er davon.
Als ihr Bruder, ein mittelgroßer, wohlproportionierter Mann, zu ihr schlenderte, fragte Addie: »Sind wir mit der Rechnung im Rückstand?«
»Alles bezahlt -«, er lächelte, »- ausnahmsweise.«
»Was wollte er dann?«
»Nichts. Er sagte, es tut ihm leid, was er von deinem Freund gehört hat.«
Die Linien um ihren Mund entspannten sich. »Das war lieb von ihm. Die Leute überraschen mich.«
»Ja.« Chark schob die Hände in seine Jeans. »Schwesterherz, tut mir leid, dass du leidest, falls du verstehst, was ich meine, aber ich konnte Nigel nicht ausstehen, und das weißt du, deshalb kann ich jetzt nicht heucheln. Nicht, dass ich ihm den Tod gewünscht habe.«
»Du hast ihm keine Chance gegeben.«
»Öl und Wasser vertragen sich nicht.« Er bohrte seinen Absatz in den geteerten Gang.
Sie führte den Grauen in seine Box. »Du kannst keinen Mann besonders gut leiden, mit dem ich zusammen bin.«
»Du hast keinen besonders guten Geschmack.« Chark hörte sich barscher an, als er beabsichtigt hatte. »Ach, entschuldige. Du musst sie küssen, ich nicht.« Er hörte auf, mit seinem Absatz zu kreisen. »Nigel war ein Schwindler.«
»Du kannst Leute mit englischem Akzent nicht ausstehen.«
»Das stimmt. Sie sind überheblich, sprechen durch die Nase und erzählen uns, wie sie in den Downs von Exmoor galoppieren. Wir sind hier in Amerika, und ich trainiere auf meine
Weitere Kostenlose Bücher