Mrs. Murphy 19: Mausetot
huschen.
»Kann mir doch egal sein.« Pewter verlieà ihr Bett und kroch zu Tucker. »Mach dich nicht so breit.«
»Dies ist mein Bett, Dickmops.«
»Oh, là , là !« Die graue Katze scherte sich nicht darum und kuschelte sich mit dem Rücken an Tuckers weiÃen Bauch.
Während diese erbaulichen Gespräche stattfanden, legte Harry sich zu ihrer ersten Bestrahlung hin. Die Killerstrahlen wurden auf die mit Tinte markierte Stelle gerichtet, wo der Tumor gewesen war.
Die Prozedur, die ihr genau erklärt wurde, war nicht schmerzhaft, aber Harry musste auf dem Tisch still liegen. Sich nicht zu rühren war schwieriger, als sie gedacht hatte. Am liebsten wäre sie schreiend hinausgerannt. Die Schwester sagte, die erste Behandlung sei nicht schlimm. Aber sollte ihr übel werden, gebe es Medikamente. Es könnte sein, dass auf ihrer Haut Verbrennungen auftraten, was unangenehm sein würde.
Harry wollte keine Medikamente. Sie wollte einen klaren Kopf behalten. Was sie im Laufe der Zeit tun würde, wusste sie nicht. Sie würde es herausfinden, wenn es so weit war, doch die erste Behandlung lief gut, vom Stillliegen einmal abgesehen.
Die Selbsthilfegruppe hatte Harry vorbereitet. Die Medizin mit ihren vielen Regulierungen und Einschränkungen â dank der jeweiligen Regierung â konnte so verwirrend sein, wie wenn ein Bauer am Hof von Katharina II., Zarin von Russland, aufgetaucht wäre. Es gab viel zu viele Komplikationen, zu viele Formulare auszufüllen und zu viel bedrucktes Papier, das man mit nach Hause nehmen und lesen sollte. Im Grunde genommen liefen alle Formulare auf eins hinaus: das Krankenhaus aus der Verantwortung zu entlassen, sollte etwas schiefgehen. Andererseits befürchtete das Krankenhaus umfängliche Gerichtsverfahren, wenn nach Aussage eines potentiell streitsüchtigen Patienten eine krumme Nadel benutzt oder jemand nicht akkurat abgetupft worden war.
Das alles war Harry zuwider. Als sie auf dem gepolsterten Tisch lag, merkwürdigerweise froh über die Unterbrechung eines arbeitsreichen Tages, war ihr, als sei sie durch die Tür eines Gefängnisses ohne Mauern getreten. Ihr Körper gehörte nicht mehr ihr. Das Krankenhaus verfügte über ihren Körper und über das Geld in ihrem Portemonnaie. Sie bekam gesagt, was sie zu tun hatte und wann. Die Versicherung würde sie schier umbringen mit Papierkram, mit Anrufen und der Forderung nach einem akribischen Nachweis über jede Kleinigkeit, die mit ihr angestellt worden war. Jennifer Potter tat ihr leid. Wenn Harry, eine Patientin â vielmehr eine Nummer â, sich schon mit Bergen von Papier und der ständigen Sorge um Versicherungsleistungen herumschlagen musste, womit musste sich dann ihre Chirurgin herumschlagen?
Harry befasste sich kaum mit Medizin. Als Ehefrau eines Tierarztes zeigte sie null Neugierde für die Humanmedizin. Begeistert von den Wundern, die eine Stammzellenbehandlung bei Pferden bewirkte, verwendete sie keinen Gedanken an die Wirkung bei Menschen.
Nun war sie hier mitten im Krebsbetrieb. Dennoch kümmerte es sie nicht besonders. Wenn sie nicht verheiratet wäre, würde sie sich nicht der Bestrahlung aussetzen. Dank seiner medizinischen Kenntnisse hatte Fair darauf bestanden, ebenso Susan, BoomBoom, Alicia, Reverend Jones, Franny und jeder weitere Mensch, mit dem sie in Berührung kam. Teils hatte sie das Gefühl, dem Druck nachgegeben zu haben, teils dachte sie, nichts wie durch, dann geben sie schon Ruhe. Im August würde sie einundvierzig werden; sie hoffte, dass noch viel Leben vor ihr lag.
Nicht zuletzt brachte ihr der Krebs ihre Sterblichkeit zu Bewusstsein. Vom Intellekt her war ihr klar, dass sie irgendwann sterben würde. Jetzt wusste sie es vom Gefühl her, und das war in Ordnung. Sie wollte noch nicht abtreten, aber sie war Farmerin. Sie lebte auf eine Weise mit der Natur, wie es nur noch wenige Amerikaner taten, und sie akzeptierte den Tod, den eigenen eingeschlossen. Sie betete, dass sie, wenn der Todesengel bei ihr anklopfte, in Würde mit ihm gehen könnte. Während der ersten Bestrahlung beschloss sie, wenn sie dies alles hinter sich hatte, werde sie dieses und auch jedes andere Krankenhaus meiden, sollte sie krank werden und ihre Ãberlebenschance geringer als fünfzig Prozent sein. Würde sie verletzt, klar, sollten die Ãrzte die Knochen oder sonst was einrenken. Eine Verletzung
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