Mrs. Murphy 19: Mausetot
Psychologie. Hab ich regelrecht gehasst.« Annalise trocknete sich ab. »Man kann nichts quantifizieren, aber das ist ein anderes Thema. Hast du schon mal überlegt, warum es immer Jungs sind, die sterben?«
»Testosteron.«
»Das ist eine bequeme Erklärung, lässt sich aber nicht beweisen. AuÃerdem, Cory, wurden hormonale Begründungen fast anderthalb Jahrhunderte benutzt, um Frauen das Wahlrecht zu verweigern. Wir wollen doch Männern nicht dasselbe antun. Man kann doppeltes Unrecht nicht zu Recht verbiegen.«
»Nein«, erwiderte er nachdenklich, »aber dreimal falsch abbiegen führt einen wieder auf den rechten Weg.«
Lachend traten sie in den kleinen Vorraum neben Annalises Büro. Sie brauchte kein feudales Sprechzimmer wie andere Ãrzte. Annalises Patienten machten keine Termine.
»Ich denke, Jungen und junge Männer sterben deshalb auf so überflüssige Art, weil ein Mann seine Männlichkeit beweisen muss. Eine Frau muss nichts beweisen. Da brauchen ein Mann und eine Gruppe Jungs sich nur gegenseitig auf den Arm zu nehmen. Er will WeiÃwein trinken, und einer von den Jungs am Tisch sagt, âºmöchtest du eine Packung Tampons dazu?â¹. So was in der Art. Auf die Weise beherrschen Männer andere Männer. Sie werden verunsichert, und dann machen sie Dummheiten.« Annalise stemmte die Hände in die Seite.
Cory dachte darüber nach, seine ansehnlichen Gesichtszüge waren gefasst. »Zugegeben, aber konkurrierst du nicht mit anderen Frauen?«
»Doch, aber konkurrieren heiÃt für mich, ich will bei etwas siegen. Nicht beweisen, dass ich eine Frau bin.«
»Ja, ja.« Er grinste breit. »Als schöne Frau hast du keine Konkurrenz.«
»Ha!« Sie küsste ihn auf die Wange.
»Wie gehtâs sonst so?«
»Gut. Die letzten Wochen waren ganz gemächlich. Nicht sehr viele Eingänge. Aber zu tun gibt es immer was.«
»Ich operiere Donnerstagmorgen, falls du zugucken magst«, forderte Cory sie auf. »Tut dir gut, mal lebendes Gewebe anzugucken.«
»Ich komme.« Annalise, ein vorsichtiger Mensch, blickte um sich, obwohl sie wusste, dass in der nächsten Viertelstunde niemand hier sein würde. »Weitere Schädelteile auf deinem Schreibtisch?«
Cory hatte sie wegen des Schädelstücks angerufen, nachdem er sich gefasst hatte. »Nein. Aber ich bin beunruhigt.«
»Mir ist auch nicht wohl dabei, aber ich an deiner Stelle«, sagte sie verschmitzt, »wäre viel beunruhigter, wenn es frische männliche Geschlechtsteile gewesen wären.«
23
E inem phantasiebegabten Menschen mochte der groÃe Parkplatz des Central-Virginia-Klinikkomplexes erscheinen wie ein Asphaltsee, auf dem bunte metallene Gummibonbons trieben. Mrs. Murphy, Pewter und Tucker fanden ihn schlicht und einfach hässlich. Kein Gras, keine Steine oder Schlangen â nur Käfer, die auf Windschutzscheiben herumkrabbelten. In dem Grüngürtel ringsum hausten Tiere in Erdlöchern. Vögel flogen darüber und bauten ihre Nester in den Bradfordbirnbäumen, die die StraÃen säumten.
»Mir ist langweilig« , jammerte Pewter.
»Sie kommt bestimmt bald raus.« Tucker lag zusammengekuschelt in dem mit Fleece ausgeschlagenen Bett hinten im Volvo.
Harry hatte den Kombi so ausgestattet, dass ihre Tiere und sie sich darin wohl fühlten. Die zweite Sitzreihe lieà sie umgeklappt. Der XC70 hatte keine dritte Reihe, eine kluge Entscheidung. Auf die umgeklappten Sitze hatte sie eine dicke Gummimatte gelegt, was bei nassen, schmutzigen Pfoten besser war. Sie hatte drei urgemütliche Betten hineingestellt und mit kleinen Doppelösenhaken an der Matte befestigt. So konnten die Betten nicht rutschen, und der dicke, strapazierfähige Teppich auf der Ladefläche wurde geschont. Die dicke Gummimatte konnte sie herausnehmen, um sie abzuwaschen. Harry war immer sehr geschickt, wenn es um Raumnutzung ging, und jetzt war sie sehr stolz auf sich. Den Tieren gefiel es, trotzdem fuhren sie vorne bei ihr mit.
»Kalt heute« , bemerkte Mrs. Murphy, die aufmerksam aus dem Fenster sah.
Tucker, froh, ein gesittetes Gespräch führen zu können, pflichtete ihr bei.
»Wenn es kalt ist, warum lässt Harry dann die Fenster einen Spalt offen? Passt mir gar nicht« , grummelte Pewter.
»Frische Luft.« Mrs. Murphy sah ein Streifenhörnchen über die RingstraÃe
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