Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Arkansas zu beklagen, Clarices Tante Glory. Denn die war ein weiteres ihrer Lieblingsgesprächsthemen. Tante Glory war kleinkariert. Tante Glory war übellaunig. Tante Glory war nicht bereit, konstruktive Kritik anzunehmen. Und das Schlimmste von allem war, Tante Glory hatte in ihrem eigenen Haus ein so schlechtes christliches Vorbild abgegeben, dass Veronica dem teuflischen Einfluss einer Wahrsagerin verfallen war.
Beatrice klagte: »Veronica hatte unrecht, die Calvary zu verlassen und zur First Baptist zu wechseln. Diese Leute von der First Baptist sind außen Hui und innen Pfui. Du wirst schon sehen, wie schnell sie sie fallen lassen, wenn sie erst einmal das Geld aus dem Verkauf des Grundstücks in Leaning Tree durchgebracht hat. Allerdings sind die nicht ganz so schlimm wie diese Holy-Family-Mischpoke. Ich weiß, deine Freundin Odette geht dorthin, aber ganz ehrlich, die sind doch nicht besser als Schlangenbeschwörer.«
Das schmerzhafte Pochen hinter Clarices Augen, das begonnen hatte, als Forrest Payne am Tag zuvor angerufen hatte, wurde bei jedem Wort, das aus dem Mund ihrer Mutter kam, ein wenig stärker. Was es noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass Clarice bereits selbst unzählige Male ähnliche Ansichten über ihre Cousine und die Kirchengemeinden ihrer Freunde zum Ausdruck gebracht hatte. Genauso wie Veronica hatte Clarices Mutter eine Art, sie daran zu erinnern, wie ähnlich ihre Denkweisen waren, und ihr war zunehmend unwohl dabei, die Parallelen zwischen ihnen vor Augen geführt zu bekommen.
Richmond kam mit einem breiten, freundlichen Grinsen auf dem attraktiven Gesicht in die Küche geplatzt. Er hatte eine schwarze Hose und ein kastanienbraunes Strickhemd an, das eng genug war, um die Muskeln zu betonen, an deren Erhaltung er so mühevoll arbeitete. Er küsste seine Schwiegermutter auf die Wange und setzte sich neben sie.
Augenzwinkernd sagte er: »Guten Morgen, Bea. Wie geht es denn der zweitschönsten Frau der Welt heute?«
Beatrice flötete kichernd: »Du bist ja so ein Schatz, dass du dir noch die Mühe machst, einer alten Frau wie mir zu schmeicheln.«
»Du bist keinen Tag älter geworden, seit ich dich kenne, und das ist die Wahrheit«, sagte er und erntete als Reaktion darauf ein weiteres Kichern.
An Clarice gewandt sagte Richmond: »Liebling, ich bin den ganzen Tag mit Ramsey in Louisville, weil wir mit einem Footballtrainer und einem Jungen reden müssen, den wir anwerben wollen. Je nachdem wie es läuft, schaffe ich es vielleicht nicht zum Abendessen nach Hause.«
Sie nickte und brachte Richmond seine Schale mit Hafergrütze und einen Teller mit zwei Rühreiern und Speck. Er sagte: »Danke, Schatz«, und fing an zu essen.
Sie ging zur Kaffeemaschine und brachte die Kanne an den Tisch, um ihm einen Becher einzuschenken. Vielleicht war es, weil ihre Mutter sie von ihren Pflichten ablenkte, indem sie sich nach Odettes Gesundheitszustand erkundigte, vielleicht auch weil ihre Gedanken zu den Plänen für diesen Tag abschweiften. Oder aber, weil sie einen flüchtigen Blick auf das selbstzufriedene Grinsen in Richmonds Gesicht erhaschte, aber irgendwie verfehlte der Kaffee, den sie ihm einschenken wollte, den Becher komplett. Die Hälfte des Kanneninhalts ergoss sich über den Tisch, und die andere Hälfte platschte auf Richmonds Schoß. Erst als er »Verdammt noch mal!« brüllte und vom Stuhl aufsprang, bemerkte sie, was sie getan hatte.
Mit einer Stimme, die so schrill und atemlos vor Schreck war, als wäre sie selbst soeben mit dampfendheißem Kaffee überschüttet worden und nicht Richmond, rief Clarice: »Entschuldige! Bist du okay? Warte, lass mich das wegwischen.«
Mit beiden Daumen und Zeigefingern zog Richmond den dampfenden Stoff der Hose von seiner Haut weg. »Nicht nötig. Ich muss aus diesem Ding raus. Himmelherrgott, Clarice.« Er verließ die Küche und eilte die Treppe hinauf.
Beatrice sagte nichts, während sie zusah, wie ihre Tochter die Schweinerei, die sie gerade verursacht hatte, aufwischte. Sie trank einfach weiter ihren Tee und aß ihr Frühstück – bestehend aus einer Scheibe trockenen Toasts und einem pochierten Ei, das gleiche Frühstück, das sie jeden Morgen gegessen hatte, seit Clarice denken konnte.
Clarice, der der Appetit vergangen war, packte das, was sie hatte essen wollen, in einen Plastikbehälter und verstaute ihn im Kühlschrank, zusammen mit den Eiern und der Milch.
Richmond kam wieder herunter, als Clarice gerade den letzten Rest
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