Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
gestrichen«, erklärte er. »Und der letzte Mieter hat sich gut um den Garten gekümmert. Es ist zwar nicht mehr wie damals, als Miss Dora noch lebte, aber auch nicht schlecht.«
Doch es stellte sich heraus, dass ich mir keine Sorgen machen musste, in Zukunft mehr Veronica in meinem Leben zu haben, denn sie rümpfte die Nase und sagte: »Danke, James, aber ich habe nicht all die Jahre so hart gearbeitet, um aus Leaning Tree wegzukommen, nur um jetzt meinen kleinen Liebling dorthin zurückzuschicken.«
»Die hat vielleicht Nerven«, schnaubte Mama verächtlich. »Glaubt wohl, sie sei jetzt zu gut für mein Haus. Den Mist kann sie vielleicht Leuten erzählen, die nicht wissen, woher sie kommt. Und wann hat sie bitte schön je ›gearbeitet‹, um aus Leaning Tree wegzukommen? Alles, was sie geleistet hat, war, ihren Abschaum von einem Vater zu überleben. Odette, sag ihr, dass deine Mama zurück ist, und dass sie sie so lange heimsuchen wird, bis ihr Hören und Sehen vergeht. Los, sag’s ihr!«
Ich hatte Minnie McIntyre gar nicht hereinkommen sehen, aber ich hörte das Bimmeln eines Glöckchens, und als ich mich umdrehte, stand sie direkt hinter mir. Minnie war dazu übergegangen, ihren Wahrsagerturban mit seinem kleinen silbernen Glöckchen die ganze Zeit über zu tragen. Sie sagte, da sie ihrem Tode so nah sei, hätte Carl der Großartige mehr Botschaften für sie als je zuvor. Also achtete sie darauf, dass sie das Glöckchen immer dabei hatte, um keine seiner Botschaften zu verpassen. Mein erster Gedanke war: Na toll, jetzt wird Mama sich gar nicht mehr einkriegen.
Als Mama noch lebte, genügte allein der Anblick von Minnie McIntyre, und sie fing an zu fluchen und zu fauchen. Ich machte mich also darauf gefasst, dass sie eine unflätige Schimpftirade losließ. Aber Mama beobachtete gerade Denise, die versuchte meine Enkelkinder zu bändigen. Sie dachte gar nicht an Minnie. Mama hörte, wie Denise ihre Tochter bei ihrem Namen, Dora, rief, und ich dachte schon, sie würde gleich in Ohnmacht fallen.
Mama mischte sich so oft in meine Angelegenheiten ein, dass ich glatt vergessen hatte, dass sie kein alltäglicher Bestandteil im Leben meiner Kinder war. Sie hatte ihre Enkel jahrelang nicht gesehen, und ihre Urenkel kannte sie überhaupt nicht. Nun stellte sie fest, dass sie eine süße kleine Namensvetterin hatte, und das nahm ihr völlig den Wind aus den Segeln. Sie verstummte und ging hinter den Kindern her. Nach all den Schocks, die sie mir bereits beschert hatte, war es ganz amüsant, zur Abwechslung mal Mama überrumpelt zu sehen.
Auf der anderen Seite des Wohnzimmers unterhielt sich Barbara Jean gerade mit Erma Mae. Sie nickte mit dem Kopf und tat so, als höre sie dem zu, was auch immer Erma Mae ihr da erzählte. Aber ich konnte sehen, dass sie meine Enkelkinder, besonders William, genauso anstarrte wie meine Mutter. Das machte Barbara Jean von Zeit zu Zeit. Wenn sie Jungs im Alter um die acht oder neun Jahre sah, konnte sie ihren Blick nicht von ihnen wenden. Ich wusste, dass sie an Adam dachte. Wer könnte es ihr verdenken? Gewiss, Adam und William sahen sich überhaupt nicht ähnlich. Mein Enkel hatte meine Rundlichkeit geerbt und kakaobraune Haut, und Adam war eine buttercremefarbene Bohnenstange gewesen. Aber sie waren beide voll wilder Energie und so herzerweichend niedlich, wie es kleine Jungs eben waren. Zumindest in diesen kurzen Jahren, bevor die Anwesenheit ihrer Mütter anfängt, sie zu nerven, und sie keine Umarmung mehr dulden. Barbara Jeans Junge würde nie aus dieser Phase herauswachsen.
Barbara Jean beobachtete meinen Enkel, wie er durchs Zimmer wetzte, meine Katzen mit seiner überschwänglichen Zuwendung drangsalierte und die Gäste mit seinem strahlenden Lächeln entzückte. Als mein Schwiegersohn spürte, dass William zu wild für die versammelten Gäste wurde, und seinen glucksenden und sich windenden Sohn aus dem Zimmer schleppte, sah Barbara Jean so aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Ich hätte wetten können, dass sie genau wie ich Lester und Adam vor sich sah und sich daran erinnerte, dass Lester nie wiederstehen konnte, Adam hoch in die Luft zu wirbeln, wann immer der Junge in Reichweite war. Wenn es nach Lester gegangen wäre, hätten Adams Füße nie den Boden berührt. Barbara Jean ließ Erma Mae stehen und wandte sich wieder dem Wodka zu.
Die diesjährige Party war die bisher größte. Es war so, als käme jeder, den wir je getroffen hatten, vorbei, um Hallo
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