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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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das jahrelang, und die ganze Zeit über redete ich mir ein, dass wir ihr nicht schadeten, indem wir sie nicht damit konfrontierten. Inzwischen gab es mehr Situationen, in denen sie »müde« war, als umgekehrt, aber diese wurden immer abgelöst von längeren Phasen, in denen es ihr gut zu gehen schien.
    Ich hatte mir immer gesagt, es wäre Lesters Aufgabe, einzuschreiten. Er war ihr Ehemann. Aber nun war Lester nicht mehr da, und zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte Barbara Jean sich in aller Öffentlichkeit betrunken. Ich versuchte mich damit zu beruhigen, redete mir ein, dass das, was auf meiner Party geschehen war, bloß der typische Neujahrsexzess gewesen war. Wer hatte nicht schon mal irgendwann in seinem Leben an Sylvester einen über den Durst getrunken.
    Aber das hier war etwas anderes. Barbara Jean hatte diese Düsterkeit an sich, wie ich sie seit Adams Tod nicht mehr bei ihr erlebt hatte. Und es sah nicht so aus, als würde sie sie bald abschütteln.
    Ich trat das Jahr 2005 mit den Vorsatz an, dass ich eines baldigen Tages, solange ich noch die Gelegenheit dazu hatte, das Risiko eingehen musste, diesen Turm aus Bauklötzen umzustoßen.
    Barbara Jeans Trinkerei nahm zum ersten Mal 1977 schlimme Ausmaße an, in dem schrecklichen Jahr, als Adam starb. Für ein paar lange Monate war sie öfter betrunken als nüchtern. Manchmal wenn ich bei ihr zu Hause vorbeischaute, konnte sie fast nicht mehr aufrecht stehen. Aber wenn sie unter Fremden war, hielt sie eine passable Fassade aufrecht, und die Leute sprachen davon, wie tapfer sie sei. Wenn ich sie nicht so gut gekannt hätte, hätte ich ihnen zugestimmt. Aber ich hörte das vereinzelte gelallte Wort, das sich immer früher am Tag in ihr Reden einschlich. Ich sah, wie sie auf diesen High Heels, die sie so gern trug, ins Wanken geriet.
    Und der arme Lester. Der Zweite Weltkrieg hatte ihm bloß ein Hinken anhaben können, aber der Tod seines Sohnes vernichtete ihn. Noch im selben Jahr verwandelte er sich in einen alten Mann. Das erste in einer langen Reihe chronischer Beschwerden – ein Nierenleiden, wenn ich mich recht erinnere – tauchte nur einen Monat nach Adams Beerdigung auf.
    Lesters Medizin war die Arbeit, so wie Barbara Jean ihre Trauer mit Alkohol bekämpfte. Nach Adams Tod fing Lester an, öfter auf Geschäftsreisen zu gehen, und blieb länger von zu Hause fort. Und wenn er zurückkam, wirkte er noch erschöpfter und elender.
    Als er Adam hatte, gab seine Arbeit Lester Kraft und hielt ihn jung. Barbara Jean mochte in ihrem Sohn wegen seiner kunstvollen Buntstiftzeichnungen einen zukünftigen Maler gesehen haben, oder einen Musiker, weil er so ein Naturtalent am Klavier war. Aber Lester wusste, dass er dazu bestimmt war, mit dem Boden zu arbeiten, genau wie sein Vater. An den Wochenenden und in den Sommerferien nahm Lester seinen Sohn mit, wann immer er Arbeiten in Plainview zu erledigen hatte. Lester fing wieder an, die Routinearbeiten zu übernehmen, die sonst von einfachen Angestellten erledigt wurden, damit Adam jeden Aspekt des Geschäfts, das er eines Tages übernehmen würde, kennen- und verstehenlernen konnte. Und Adam genoss jede Minute davon. In seinen Overalls folgte er seinem Vater auf Schritt und Tritt, pflanzte an, grub um und harkte mit seinen kleinen Miniaturgartengeräten.
    Nun, da er nichts mehr schuf, das er eines Tages seinem Sohn vermachen würde, gab es für Lester keinen Grund mehr, eine Schaufel oder eine Harke in die Hand zu nehmen. Sein Körper verkümmerte mit seinem Geist, und sein Lebenswerk wurde zum reinen Zahlenspiel. Er machte einen Geschäftsabschluss nach dem anderen und haufenweise Geld, als glaube er daran, dass es ihn und Barbara Jean eines Tages wieder glücklich machen würde.
    Obwohl sie aus unterschiedlichen Generationen stammten und obwohl das Einzige, so war es mir zumindest immer erschienen, was sie zusammenhielt, weg war, blieben Lester und Barbara Jean zusammen. Und es gelang ihnen sogar manchmal, den Eindruck zu erwecken, als könne sie all das Geld wirklich glücklich machen. Reicher, kranker, trauriger und älter, doch als der Schock über Adams Tod langsam nachließ, bauten sie sich ein neues Leben auf.
    Es war in jenem schrecklichen ersten Jahr, als die Supremes und das zerbrechliche neue Leben, das Barbara Jean und Lester gemeinsam führten, mit etwas Hilfe von Richmond beinahe ein Ende gefunden hätten.
    Wir saßen an einem Sonntagnachmittag um unseren Tisch im All-You-Can-Eat . Clarices Zwillinge

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