Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
thronten in ihren Kinderhochstühlen zwischen ihr und Richmond. James hatte Denise auf dem Schoß, die dabei war eine Skulptur aus Käsemakkaroni zu bauen. Die anderen Kinder saßen bloß ein paar Schritte und in Griffweite entfernt an einem eigenen Tisch.
Clarice versuchte unter wiederholtem Gähnen ein Gespräch in Gang zu halten. Die Zwillinge machten ihr wirklich zu schaffen, wie es die älteren Kinder nicht getan hatten. An manchen Tagen konnte sie kaum die Augen offen halten.
Barbara Jean, in einem verkehrshütchenorangen Taftkleid, sah an diesem Sonntag aus wie eine Göttin. Big Earl stand da und applaudierte ihr, als sie das Restaurant betrat. Lester war mal wieder auswärts tätig, also kam sie allein. Sie war relativ sicher auf den Beinen, aber sie redete auf eine holprige, übervorsichtige Weise, die denjenigen von uns, die sie wirklich kannten, signalisierte, dass sie betrunken war.
Während des Essens beobachtete ich, wie sich eine seltsame und beunruhigende Szene abspielte. Wir unterhielten uns über die neuesten Renovierungsarbeiten, die gerade in Barbara Jeans Haus stattfanden. Dies war eines der wenigen Sachen, die Barbara Jean zu jener Zeit wirklich zu interessieren schienen. Doch die Dinge nahmen eine seltsame Wendung, als sie sagte: »Wegen der Schlafzimmerschränke muss ich so bald wie möglich einen Schreiner kommen lassen. Irgendwer hat da mal Metallregale anbringen lassen, und die Dinger kommen fast täglich runter. Gestern Abend hätte mir eins davon beinahe den Kopf abgeschlagen.«
»Dafür brauchst du niemanden kommen zu lassen«, sagte Richmond. »Da kann sich Lester mit einem Handbohrer und ein paar Schrauben leicht selbst drum kümmern.«
Barbara Jean schüttelte den Kopf. »Lester ist noch die nächsten zwei Wochen weg, und ich muss da gleich was machen.« Sie lachte und fügte hinzu: »Ich denke, es ist für alle sicherer, wenn ich es nicht selbst versuche.«
Richmond, ganz der großmütige Mr »Ich-kann’s-richten«, sagte: »Ich komm gern rüber und helf dir damit.«
Barbara Jean beugte sich an James vorbei zu Richmond und tätschelte seinen Arm: »Richmond, du bist meine Rettung.«
Die Sache mit Richmond war die, dass er einem Freund in Not tatsächlich helfen würde, ohne lang darüber nachzudenken. Sosehr ich mich auch oft über ihn ärgerte, musste ich doch zugeben, dass er wirklich jemand war, der einem sein letztes Hemd geben würde. Wenn jedoch eine attraktive Frau im Spiel war, würde Richmond ihr sein Hemd geben und sich dann leider auch noch seine Hose und die Unterwäsche vom Leib reißen.
Als Richmond Barbara Jean dann auch noch sein »Stets-zu-Diensten«-Lächeln schenkte, läuteten die Alarmglocken in meinem Kopf. Ich sah Clarice und James an, um zu sehen, ob sie dieselben Warnsignale wahrnahmen wie ich. Aber Clarice konzentrierte sich auf die Zwillinge, nicht auf ihren Göttergatten. Und James wippte Denise auf seinen Knien auf und ab und schenkte allem, was sonst noch am Tisch vor sich ging, nicht die geringste Beachtung.
Abends zu Hause zerbrach ich mir darüber den Kopf, was ich zuvor in Earl’s Diner gehört hatte. Ich sagte mir, es gehe mich nichts an, und dass meine Freunde schließlich verantwortungsvolle Erwachsene seien. Sie würden schon selbst die richtige Entscheidung treffen. Und selbst wenn sie nicht das Richtige täten, wäre es nicht meine Aufgabe, mich da einzumischen. Schließlich wurde mir klar, dass ich mir mit meinem Gegrübel bloß Kojak verderben würde, und sagte zu James, ich hätte noch etwas zu erledigen, rannte aus dem Haus und folgte damit meiner wahren Natur.
Ich konnte Richmond riechen, bevor ich ihn sah. Seit er ein Teenager war, benutzte er das gleiche zitronig-holzige Rasierwasser. Es enterte immer ein paar Sekunden vor ihm den Raum. Ich wartete im Dunkeln, in einem der Rattanschaukelstühle auf Barbara Jeans Veranda, als er zur Haustür hinaufkam.
»Hallo, Richmond«, sagte ich gerade so laut, dass er es hören konnte.
Er zuckte zusammen, fasste sich mit der Hand an die Brust und japste: »Odette, verdammt, du hast mich fast zu Tode erschreckt.« Dann fragte er: »Was machst du hier?«
»Ich genieße bloß die Nachtluft. Was ist mit dir, Richmond? Was treibt dich heute Abend zu Barbara Jean?«
Er brachte ein Lächeln zustande, das ich für durch und durch unschuldig gehalten hätte, wenn ich ihn nicht besser gekannt hätte. »Ich habe Barbara Jean versprochen, vorbeizukommen und einen Blick auf diese Regale zu werfen,
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