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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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zu sagen. Oder, was wahrscheinlicher war, um Lebewohl zu sagen. Es brauchte nicht mehr als ein klein bisschen Krebs, und schon werden die Leute einem gegenüber ganz sentimental, ob sie einen nun mochten oder nicht. Aber gegen Mitternacht waren die meisten der Gäste gegangen. Mama zog sich ins Wohnzimmer zurück, um gurrend über ihre Urenkel zu wachen, die zu dem Zeitpunkt bereits erschöpft neben Clarices Enkel auf die Couch gekippt waren.
    Ich war zum Umfallen müde und wünschte mir nichts sehnlicher, als mich hinzulegen und auszuruhen, aber ich ging noch in die Küche, um ein wenig klar Schiff zu machen. Ich machte die Küchentür auf und fand meine Denise und Clarices Tochter Carolyn beim Geschirrspülen vor. Sie lachten und quatschten, wie sie es getan hatten, als sie noch junge Mädchen gewesen waren. Ich stand einige Sekunden da und sah ihnen zu – beide klug, stark und glücklich. Tja, dachte ich, sieht so aus, als hätten Clarice und ich wenigstens eine Sache gut gemacht.
    Eine Hand berührte mich an der Schulter, und als ich mich umdrehte, sah ich Richmond. Er flüsterte mir ins Ohr: »Hör zu, Odette, Clarice und ich brechen auf, und wir nehmen Barbara Jean mit. Sie hat ein bisschen zu viel getrunken.«
    Ich folgte ihm aus der Küche durchs Wohnzimmer und in den Hausflur, wo Clarice Barbara Jean gerade in den Mantel half. Die ruhige Gemütslage, in der Barbara Jean den ganzen Tag gewesen war, war einer düsteren Stimmung gewichen. Ihre glasigen Augen und der gequälte Gesichtsausdruck ließen sie wegen des pinken Kleides, das nun mit seiner jugendlichen Heiterkeit über sie spottete, noch niedergeschlagener wirken.
    Ich umarmte sie kurz und sagte: »Ich ruf dich morgen an.«
    Barbara Jean versuchte, mir eine gute Nacht zu wünschen, aber sie brachte die Worte durcheinander. Clarice und Richmond nahmen sie auf beiden Seiten am Arm und führten sie hinaus, gefolgt von der ach so korrekten Mrs Jordan, die Barbara Jean anstarrte und missbilligend meckerte: »Das gehört sich doch nicht. Das gehört sich ganz und gar nicht.«
    Ich trat hinaus auf die Veranda und sah zu, wie Clarice und ihre Mutter auf dem Vordersitz von Richmonds Chrysler Platz nahmen, während er Barbara Jean auf den Rücksitz half. Nachdem er sie untergebracht hatte, schloss er die Tür. Er trabte hinüber zu ihrem Wagen und sprang hinein. Sie fuhren davon, Richmond in Barbara Jeans Mercedes vorneweg.
    Ich blieb noch ein paar Minuten auf der Veranda stehen und genoss nach so vielen Stunden drinnen im warmen, überfüllten Haus die frische Luft. Mama gesellte sich zu mir, und Mrs Roosevelt folgte ihr auf den Fuß. Die frühere First Lady war wieder ausgenüchtert, und ihr berühmtes breites Lächeln ließ ihr Gesicht strahlen, als sie sich an mich schmiegte.
    Mama sagte: »Es fällt mir schwer, Barbara Jean so zu sehen. Ich fürchte, es zieht Unheil auf, meinst du nicht?«
    Eine Moment lang sagte ich nichts darauf. Ich war abgelenkt, denn zum ersten Mal schien mir Mrs Roosevelt wirklich körperlich präsent. Ich spürte das Gewicht ihres Körpers an meinem. Und in der kühlen Nachtluft war die Wärme, die sie ausstrahlte, beinahe unangenehm. Sie und ich waren nun wirklich Teil ein und derselben Welt. Das kann nichts Gutes heißen , dachte ich.
    Als ich Mama schließlich antwortete, sagte ich: »Ja, Mama, ich glaube es zieht Unheil auf.«

21
    Wenn man einen Beweis dafür suchte, dass ich nicht so furchtlos war, wie es die Gerüchte über mich behaupteten, so musste man sich nur die Art und Weise anschauen, mit der ich Barbara Jeans Trinkerei begegnete. Ohne es auch nur zu thematisieren, hatte ich mit Clarice einen feigen Pakt geschlossen und jahrelang kein Wort darüber verloren. Wir hatten beide Angst, dass unsere Freundschaft, wenn wir Barbara Jean geradewegs darauf ansprächen, in sich zusammenstürzen würde wie ein Turm aus Bauklötzen.
    Indem wir uns nicht mit ihrem Alkoholproblem auseinandersetzten, wurde es zu einem unsichtbaren vierten Mitglied unseres Trios. Ein lästiges, falsch singendes Mitglied, an das Clarice und ich uns mit der Zeit angepasst hatten. Wir gewöhnten uns an, Barbara Jean nicht nach neun Uhr abends anzurufen, weil sie sich sonst wahrscheinlich später nicht mehr an das Gespräch erinnern würde. Wenn sie durch eine schlechte Phase ging, sagten wir, sie sei »müde«, und verschoben alles, was wir womöglich gemeinsam geplant hatten, damit wir es nachholen konnten, wenn sie sich wieder besser fühlte. So ging

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