Muckefuck
sich dort sehen zu lassen, bei den Mittelständlern mit Wohnzimmerschrank und Couchgarnitur, so nämlich, wussten einige zu berichten, die nicht umhingekonnt hatten, die Siedlungshäuser zu betreten, sah es dort aus.
Jawohl! Couchgarnituren hatten sie, und Stehlampen. Was also war in meine Eltern gefahren, dass sie dort herumspazierten?
Besonders gerne blieben sie vor einem unbebauten Grundstück stehen, das mitten zwischen den Siedlungshäusern lag, irgendjemand war ausgestiegen, bevor die Bauerei begann, eine Lücke klaffte.
Eine störende Lücke, wie die Siedlungsbewohner immer wieder versicherten. Aber sie hatten ja alle schon ein Haus. Also blieb die Lücke, fast tausend Quadratmeter, ein Spielplatz der blassen Siedlungshauskinder inzwischen, die sich nicht zu uns aufs Feld trauten, weil sie dort Hiebe bekamen. »Wenn wir euch da erwischen, kriegt ihr den Arsch voll«, versicherten wir ihnen. Weil sie abends früh in die Häuser mussten, benutzten wir diese Zeit, um ihre Höhlen auf dem Grundstück zu zerstören.
Und jetzt standen Minnamartha und Ede davor! Auch in der Laube gab es nun lange Gespräche, von denen ich nicht viel verstand, wir fingen ja gerade mal mit dem kleinen Einmaleins an, und zwischen meinen Eltern war die Rede von »zwanzigtausend« und happig großen Teilen dieser Summe. Ich ahnte: Bald würde diese wunderbare Laubenzeit zu Ende gehen. Und das gefiel mir nicht.
Zusammen mit meinem Onkel Adolar, dessen tragisches Ende damals noch nicht vorauszusehen war, hatte Ede die erste Laube gebaut. Eine Stube, eine kleine Küche mit Spundbrettern verschalt, ein Schuppen mit Waschküche, und ein Verschlag für die spätere Stallhasenzucht: Das war der Anfang. Draußen die Abessinerpumpe, die frisches, klares Wasser gibt, innen an den Wänden Petroleumlampen, mit goldenen Messingschildern hinter den Glaszylindern. Ernie Puvogel führte auch Leuchtpetroleum, das in Blechkannen aufbewahrt wurde, man setzte einmal Pfand ein, und die Blechkannen kreisten dann. Die Gaszylinder zersprangen oft, wenn man sie beim Anzünden der Lampen versehentlich schräg hielt. Auch neue Zylinder waren bei Puvogel vorrätig.
Später, immer mit Onkel Adolars Hilfe, kam dann der Anbau dazu. Ein Wohnzimmer, massiv, mit Rosentapete, und die Veranda, alles ohne Baugenehmigung. An der Decke hing eine Prachtlampe mit Plüschlampenschirm aus unserer Mietshauswohnung. Ohne Funktion, denn es gab ja keinen Strom, vorerst. Phonographen waren damalszum Aufziehen, mit Uhrwerk, die Kurbel für Kinder ziemlich schwer zu betätigen, wir hatten ein neueres Modell, dessen tonverstärkender Blechtrichter in einem Nussbaumgehäuse verborgen war. Eine quadratische Tür musste geöffnet werden, damit der Ton ungehindert entquoll. Das Radio, getrennter Lautsprecher- und Empfängerteil (mit frei stehenden Spulen und Röhren), betrieben wir mit einem Akku, der alle paar Monate zum Aufladen musste.
Aber die Lampe im neuen Wohnzimmer muss auf die Elektrizitätswerke als Herausforderung gewirkt haben. Eines Tages errichtete eine Baukolonne scharf nach Karbolineum duftende Holzmasten, und die Lauben wurden, mit Zähler für jede, ans Stromnetz angeschlossen. Die Petroleumlampen hatten ausgedient, ich brachte die Leihkanne zu Puvogel zurück, der mürrisch die zwei Mark Pfand herausrückte: Das tat er jetzt etwa zwanzigmal am Tag. Und es war noch ungewiss, ob der Petroleumgroßhändler die vielen leeren Kannen zurücknehmen würde. Selbst Wanda war so verstört, dass sie manchmal vergaß, zuzuschlagen, wenn ich, vorsichtig in der Eierpampe tappend, an ihr vorbeischlich. Ich brachte einige Ladungen Persil heil nach Hause und sogar eine Papiertüte mit zwei Kilo weißen Bohnen.
Weil die Stadt einmal dabei war, ihre Randgebiete mit Installationen zu versehen, gruben sie auch einen breiten Graben für einen Hauptgasstrang quer durch die Kolonie, dabei Rosen, Stiefmütterchen und grüne Bohnen in Menge vernichtend, und einige Lauben ließen sich auch ans Gas anschließen. Darunter auch wir: Gekocht wurde nun auf einem Gasherd.
Nur der Plan, auch eine Wasserleitung hierherzulegen, wurde so lange verzögert, dass der Krieg ihn ganz vereitelte. So fließt immer noch das Wasser aus dem Abessinerbrunnen, die Pumpe friert, obwohl strohumhüllt, im Winter manchmal ein, im Sommer muss man oben erst eine halbe Gießkanne Wasser hineingießen, bis der zusammengeschnurrte Kolben fasst und das Grundwasser heraufzieht. Aber jeder ist daran gewöhnt, keiner beklagt
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