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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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sich.
    Niemand wäre auch damals auf die Idee gekommen, dass die hinten an die Lauben geklebten Torfmullklos schädlich für das Grundwasser sein könnten: Solch feinere Gedankensprünge waren einer späteren, umweltschutzbewussten Generation vorbehalten. Mensch, Tier und Pflanze gediehen prächtig in der ökologisch trotzdem ziemlich einwandfreien Ordnung der Kolonie Tausendschön.
    In dem neu angebauten Wohnzimmer, das nun auch schon etliche Jahre alt war, stand das Sofa mit Umrandung, einem gebeizten und polierten Holzrahmen hinter der Lehne, mit einem kleinen Spiegel in der Mitte und zwei Konsolen links und rechts, die allerlei Nippes aufnahmen, unter anderem Edes Husarentrinkkrug Reserve neunzehnhundertacht, die Rauchverzehrerkatze und neuerdings eine Pekingente aus Porzellan, deren Schnabel abgebrochen und notdürftig wieder angeklebt war. Herkunft: unbekannt. Hier saßen die Eltern nun immer öfter, selbst wenn draußen die spätsommerliche Sonne schien, und zählten Geld. Der Winter kam, eingehüllt in Stroh stand die Abessinerpumpe vor der Tür, und langsam stellte sich wirklich heraus: Meine Eltern hatten beschlossen, ihr Dasein als Laubenmenschen zu beenden und Hausbesitzer zu werden. Zu diesem Zweck hatten sie nun das brachliegende Grundstück zwischen den Siedlungshäusern erstanden, und die Bebauung desselben schien nicht mehr fern zu sein.
    Die Sache sprach sich herum, ich merkte es daran, dassHarald Buseberg seine penetranten Angebote ließ, mir die Schnürung der Holzhand seines Vaters gegen die einmal festgesetzten zehn Pfennige Gebühr ernsthaft zu vermitteln.
    Ein erstes Zeichen. Das zweite war, dass mich die Bleylejungen jetzt gelegentlich auf dem Schulweg an eine Akazie fesselten, sodass ich, nach mühsamer Befreiung, zu spät nach Hause kam, oder dass sie mich ohne Vorwarnung in gefüllte Wassergräben oder Dornenhecken stießen.
    Fatal. Denn was war mir wichtiger als Laubenkind zu sein?
    Inzwischen konnte die zahme Dohle Jakob einwandfrei »Rotfront – Rotfront« rufen, was zu Ohren Herrn Gallerts kam, und es gab eine ziemliche Auseinandersetzung, aus der Herr Reh, Besitzer des kecken Vogels, als Sieger hervorging: Eines Nachts malte er den strahlend weißen Fahnenmast Herrn Gallerts mit frischer Farbe bis in Greifhöhe an, und am nächsten Morgen blieb der aufrechte und mutige, hier in dieser Umgebung aber sehr einsame Sturmführer mit seiner schnieken Uniform daran kleben. Natürlich bestritt Herr Reh die Tat, erfolgreich, und Sturmführer Gallert rächte sich, indem er jetzt an nationalen Feiertagen kontrollieren ging, ob wir alle dem Reichsflaggengesetz Folge leisteten. Wider seine Überzeugung musste Ernie Puvogel jetzt neue deutsche Flaggen, kleinste Größe, in sein Sortiment aufnehmen. Sie wurden allerdings nur gekauft, nachdem ein Schutzmann die Laubenbewohner einzeln auf dieses Gesetz hingewiesen hatte.
    Minnamartha, von ihren Kaufhausfressorgien längst das geworden, was höfliche Leute »stattlich« nannten, hatte eine Art, sich mit Seitenschwung aufs Sofa zu plazieren, dass jedes Mal der Husarenkrug ins Wackeln kam, und im Laufe mehrerer Geldsitzungen geriet er hüpfend an dieVorderkante der Konsole, von wo ihn dann Ede mit bald unbewusstem Griff wieder zurückschob, bis zum nächsten Mal. Geldzählen machte damals noch mehr Spaß als heute, weil es weniger Papiergeld, dafür aber schwere Münzen gab, die Ein- und Zweimarkstücke, und stabile, silberklingende Fünfmarkstücke, die sogenannten Heiermänner. Dunkel war und ist mir die Herkunft dieser Bezeichnung, aber ein Heiermann war damals ein Vermögen wert, dafür konnte man ein ganzes Schützenfest kaufen, oder Ernie Puvogels halben Laden, oder mit der Eisenbahn bis Neuruppin reisen. Ein Heiermann stellte was dar.
    Nun sah ich gelegentlich auf dem Tisch unter der Plüschlampe ganze Säulen von Heiermännern sich türmen, die dann in unbekannte Verliese verschwanden, ich dachte, in geheime Verstecke hier in der Laube oder im nahen Birkenwäldchen vielleicht, wo wir löcherige Emailleeimer und Sprungfedern fanden oder gebrauchte Präservative, denn von Banken – jenen auf die man Geld tut, – hatte ich noch nichts gehört.
    Ede vertrauten die Banken, er besaß ja das Laubengrundstück und seine Taxen, reale Werte also, und er schob ihnen nun viele schöne Heiermänner hinüber. Für Ede rollten sieben Taxen, ein gut gehendes Geschäft, die Leute in dieser unbequem weitläufigen Stadt fuhren mit Leidenschaft Taxe, Privatautos

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