Muckefuck
eineSpeckseite zu liefern, wie ich dachte, um mit der Wurst danach zu werfen, aber sie wurde von den hungrigen Onkels und dem Tempodreiradfahrer vertilgt. Mathilde radelte einen Laib Brot herbei, der ein wenig nach Parfüm roch, und meinte: »Ach, Gotteken, seid ihr schon weit. Wo soll denn das Klavier hin?« Klavier hatten wir gar keins. Daran merkte man, wie dämlich Mathilde war.
Immerhin machte sie sich nützlich, indem sie Schallplatten auflegte, das Grammofon hatte sie gleich aus dem Umzugsgut ausgegraben. So wuchteten Ede, der Tempofahrer und die Onkels Möbel nach den schönen Klängen von Ännchen von Tharau. – »Hau ruck«, sagte Onkel Hubert (das Bierfass wurde schnell leerer), und brach ein Bein vom Vertiko ab. Das fanden alle ungeheuer witzig, nur Minnamartha nicht. Ännchen von Tharau hallte fürchterlich laut in den fast leeren Räumen. Herr Reh lud den Blumentopf und Brot und Salz ab und blieb auch, mit Dohle. Die Dohle mochte Bier.
Allmählich begann Unordnung sich auszubreiten, die Möbel blieben teils im Korridor stehen, teils trugen die Männer sie in falsche Zimmer. Mathildchen kurbelte wie wild und rief: »Männer, ran!«. Meine Mutter eilte wuchtig hin und her, um möglichst an allen Stellen zugleich Unheil zu verhüten. Schließlich saßen die Männer um den großen Tisch, auf Gartenstühlen, weil ihnen die zuerst in die Hände gekommen waren, zwischen sich mitten auf der Tischplatte das große Fass, den Speck noch auf dem durchgefetteten Papier, und erzählten sich anscheinend die witzigsten Geschichten ihres Lebens, denn manchmal war vor lauter Lachen das Grammofon nicht zu hören.
Onkel Adolar hatte eine ganz neue Platte drauf, er sagte dauernd: »Grüß Gott, Frau Berger, ’s wird immer ärger«, oder »das schmerzt im Schritt, aber nicht unangenehm«.Die anderen fanden das ungeheuer komisch und lachten. Minnamartha rief »aber, aber«, und Mathildchen sang laut und falsch: »Was kraucht dort in dem Busch herum? -Ich glaub, es ist Napolium!« und imitierte dazu einen orientalischen Bauchtanz. Onkel Adolars Fliege hing auf der heute gelieferten neuen Stehlampe, so was hatten wir nun also auch, sein weißes Hemd wies alle Sorten Flecken auf, vorn und hinten. Tante Linchen, schwarzhaarige Frisöse aus Lauenburg an der Elbe, mit der er seit zehn Jahren verheiratet war, würde schön schimpfen.
Auch Onkel Adolar war das klar. Trotzig trank er vier doppelte Schnäpse, sang »Heut’ ist Kaffeeklatsch bei Tante Linchen, heute meckern sich die Tanten satt«, und brach zusammen.
Sie schafften ihn ins Nebenzimmer, das Fest ging weiter. Die Kornflasche war bald leer, und Onkel Hubert warf eine Speckscheibe gegen die Tapete, wo sich ein Fettfleck bildete. Mit vereinten Kräften hängten die Umzieher jenes Kolossalgemälde über den Fleck, das bei uns aus Platzmangel nie einen Platz gefunden hatte: Reiter am Bodensee von Professor A. Müller, München. Ein nackter Reiter, von hinten gesehen, ritt bei aufziehendem Gewitter Ross und Handpferd in die Schwemme, während Möwen über der Gruppe kreisten. Dann gingen sie.
Ede schlief mit dem Kopf auf dem Tisch.
Minnamartha weinte.
Am nächsten Morgen betrachtete ich Professor A. Müllers Gemälde, haarscharf peilte ich am leeren Bierfass vorbei, sah den nackten Reiter, den ich lange, bei gelegentlicher Besichtigung des Kunstwerks im Laubenkeller, für eine Dame gehalten hatte, der Löckchen wegen, die sich in seinem Nacken kräuselten. Aber nun, im Frühlicht, das durchdie großen Neubaufenster fiel, war mir klar: Ein männlicher Reiter war’s, der dem Unwetter auf dem Rücken seines Pferdes zu trotzen gewillt war.
Als ich an diesem Tag aus der Schule kam, zeigte sich das Haus in neuem Glanz und bewohnbar. Die meisten Möbel standen dort, wo sie hingehörten. Das Bierfass war weggeräumt, und kunstsinnig hatte Minnamartha weiteren Wandschmuck arrangiert. Im Nebenzimmer, das man durch einen Wanddurchbruch betrat, hatten bauliche Notwendigkeiten eine Nische geschaffen, in die haargenau eine Chaiselongue passte. Der Platz über der Chaiselongue schrie, wie meine Mutter sich ausdrückte, nach einem Wandbehang.
Nicht ungehört war dieser Schrei verhallt. Aus allerlei Laubenkellertrödel hatte Minnamartha eine maschinengewebte Tapisserie geborgen. Am rechten Rand des Textilkunstwerkes stand im inlettroten Kleid eine schöne, junge Schäferin, zwischen einer Herde von nur drei oder vier Schafen, die sich auf Felsbrocken um sie gruppierten. Die
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