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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Erwachsenen vertraut waren, die wir aber nur aus Büchern kannten.
    Wir kauften ganz dickes Papier, denn wir wollten auch sehen, dass die Arbeit voranging. An der Remington stellten wir den größtmöglichen Zeilenabstand ein und begannen. »Wie wäre es«, schlug Othmar vor, »wenn wir unsere Geschichte im Malermilieu spielen ließen?«
    Ich war dafür. Hatten wir doch gehört, dass Maler, im Umgang mit Modellen erfahren, freien Sinnes waren.
    »Kennst du denn einen Maler?«, fragte ich Othmar.
    »Nööh.«
    »Ich auch nicht.«
    Othmar hatte eine Idee: »Im Schrank habe ich mal ein Buch gefunden. Bei meinem Vater. Das hieß Mutzenbecherin oder so ähnlich. Eine sitzt im Keller auf einem Fass, und dann kommt der Bierfahrer und holt die Nille raus …«
    Das fand ich wieder nicht gut. Ich stellte mir Onkel Hubert im Keller vor, mit einer, die auf einem Fass sitzt. Vielleicht einer wie Mathilde. In BDM-Uniform und mit blonden Zöpfen. Dass Mathilde Onkel Huberts Tochter war, ließ ich unberücksichtigt.
    »Lieber doch einen Maler«, meinte ich. »Er kann in einem Atelier wohnen, fünfter Stock. Eine steile Treppe führt hinauf. Vor ihm geht sein Modell. Er hinterher, und wie er schaut, merkt er, dass sie kein Höschen anhat.«
    »Mann, dufte.« Othmar spannte den ersten Bogen ein, und dann hackten wir abwechselnd mit zwei Fingern auf die Remington ein.
    Auf den nächsten sieben Seiten schilderten wir im Detail, was auf der Treppe alles geschah. Wir brauchten eine Woche dazu und stritten uns oft.
    »Die Treppe ist mit einem Läufer belegt«, schlug Othmar vor. »Kokos. Sie krallt sich fest. Mit den Händen. Und den Stöckelabsätzen.«
    »Und die Handtasche?«
    »Die stellt sie neben sich ab. Oder sie purzelt herunter, alles fällt raus, und sie muss die ganze Zeit daran denken, ob sie alles wiederfinden wird. Kleingeld. Den Lippenstift.«
    »Und die Kanten? Von den Stufen?«
    »Wenn ein Läufer drauf ist, tut es vielleicht nicht so weh.«
    Das leuchtete ein. Wir tippten die Passage. Othmar war plötzlich dafür, dass es ein roter Samtläufer war. »Das schmeichelt mehr als Kokos«, meinte er. »Und stell’ dirvor, die weißen Schenkel auf dem Rot. Das ist doch etwas für einen Maler. Oder?«
    Wir überlegten, ob sich, dort auf der Treppe, vielleicht nur des Malers Hand unter den Rock verirren sollte. Der Rest könnte dann im Atelier stattfinden. Oben. Aber schließlich schilderten wir den ganzen Vorfall im Treppenhaus, wie zuerst beabsichtigt. Das füllte Seiten. Seite eins bis sieben versteckten wir in Harms Schulatlas. Leichtfertig ließen wir die zu zwei Dritteln beschriebene Seite acht in der Maschine. Othmars Vater fand sie, las sie mit Interesse, und spürte auch den Anfang im Schulatlas auf. Er rief uns, las uns unser Werk von Anfang bis zum vorläufigen Ende vor (wir fanden es gar nicht mehr so gut), drehte die Blätter zu einer Rolle zusammen und verdrosch uns damit, bis das Papier in Fetzen war. Die Remington schloss er weg.
    Von Mathilde schnippisch abgewiesen, die Trümmer unseres ersten literarischen Werkes zu Füßen, beschlossen wir, uns vom Erotischen ab- und harmloseren Kinderspielen zuzuwenden. Die Neigung wurde gefördert, weil des blondlockigen Othmars Onkel Didi eintraf. Onkel Didi war pensionierter Handelskapitän, trank gerne Kümmel und sang Lieder von Kap Horn. Er bezog, anscheinend gewillt, längere Zeit zu bleiben, ein Zimmer im Dachgeschoss bei Othmars Eltern. Den Raum garnierte er mit einem teilweise enthaarten Zebrafell und einem Elefantenfuß, der als Papierkorb diente. Rudimente eines Abenteurerlebens, das Onkel Didi einst an viele fremde Küsten geführt hatte. Die Wände seiner Stube unter dem Dach waren mit Postkarten beklebt. Auf diesen Postkarten waren nackte Mädchen abgebildet, alle zart und weiß wie Marzipan. Eine sprang, Hände aufgestützt, über eine große Kugel und zeigte dabei ihr Hinterteil. Sie gefiel uns am besten.Onkel Didi nannte sie »Rio Rita«, aber er wusste nicht mehr, wo er diese Kugelspringerin in natura kennengelernt hatte. »Vielleicht in Tampico«, murmelte er.
    Onkel Didi besaß viele Tabakspfeifen, die er reihum rauchte, wo er ging und stand. Die Asche verstreute er überall, besonders gerne aber auf Blattpflanzen.
    Kapitän Didi war ein Bonvivant. Zu Minnamartha sagte er: »Gnädige Frau haben einen ganz reizenden Umfang.« Meine Mutter wusste nicht, ob sie erfreut oder beleidigt sein sollte. Großmutter, nach ihrer Meinung zu Kapitän Didis

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