Muckefuck
zweifelhaftem Kompliment befragt, sagte: »Es soll heißen friss nich so viel.«
Ein so ausgebuffter Fachmann in Marinefragen wie Kapitän Didi, Experte auch für Künstlerpostkarten, Zebrafelle und Elefantenfüße, wirkte anregend. Wir nahmen Skagerak noch einmal durch, nun aus der Perspektive des Brückenoffiziers auf einem schweren Kreuzer (denn in dieser Eigenschaft hatte Onkel Didi die Seeschlacht erlebt), und fühlten uns sicher, wenn Onkel Didi fragte:
»Wie viel Seemeilen lief das Linienschiff ›Zähringen‹?«
»Achtzehn Knoten, aye, aye, Sir«, hatten wir dann zu antworten.
Wir kannten uns aus mit den englischen Dreadnoughts, wussten, dass die Neptune unter französischer Flagge lief und dass die Yorck ein deutscher Panzerkreuzer war, neuntausendfünfhundert Tonnen, Geschwindigkeit einundzwanzig Seemeilen.
Othmar gliederte seinem Landcorps von Lineolsoldaten jetzt eine Marineeinheit an. Er kaufte von seinem Taschengeld zwei Admirale mit Zweispitz und gold verschnörkelter Uniform, drei Kapitäne zur See, die leider auch beim Dienst in der Kaserne ihren gezogenen, fest angelöteten Säbel nie ablegten, und zwei Dutzend Marinesoldaten. Durcheinen glücklichen Zufall konnte ich nachziehen: Pfützenmarschierer Gustavchen, nun größer geworden und mit Turnhose, schlich neuerdings durch die Siedlung, um Geschäfte zu tätigen. Er besorgte mir billig einen gebrauchten Kapitän und acht Matrosen.
Othmar war wieder der Stärkere, und dazu war Kapitän Didi noch sein Onkel! Unter Absingen von Kapitän Didis Waterkantsongs paradierten unsere blauen Jungs auf dem Zebrafell. Der Elefantenfuß war das Marineehrenmal Laboe.
»Aloha he«, sang Kapitän Didi. »Jungs, ich denke schon die ganze Zeit nach. Hier fehlt was.«
»Was denn, Onkel Didi?«
»Schiffe.«
Wir waren beeindruckt. Da hatten wir all die Sailors und Teerjacken und Admirale, aber keine Schiffe.
»Mein Segelboot aus Ahlbeck«, fiel mir ein.
Onkel Didi winkte geringschätzig ab. »Panzerschiffe.«
»Woher sollen wir die kriegen?«
»Baut sie euch selbst.« Er krümelte Pfeifenasche über unsere Köpfe.
Wir konstruierten eine Plättbrettflottille. Ede erinnerte sich an Monitore, die er während des ersten Weltkrieges in den Donaustaaten gesehen hatte, flachgehende Flussoder Küstenmotorschiffe, sehr schnell, mit starker Bewaffnung. Zwar keine Schlachtschiffe, nicht einmal Kreuzer, wie sie Harry Busebergs Vater gefahren hatte, aber für unsere paar Teerjacken war es vielleicht richtig. Kapitän Didi schließlich plädierte für Hilfskreuzer, zu Kriegsschiffen umgebaute Handelsdampfer, aber das war uns auch zu hoch.
Wir bauten Monitore, indem wir von Bretterabfällen, die auf unserem Dachboden lagen, halbmeterlange Endenabsägten, diese zuspitzten und mit Leisten eine Reling darumzimmerten. Die Aufbauten klebten wir aus Pappe.
Othmar hatte zwei Schiffe, selbstverständlich, ich nur eins. Onkel Didi blies Angriffssignale auf dem Kamm. Die Flotten liefen zur Seeschlacht auf Kapitän Didis Zebrateppich aus. Stolz wehten am Heck die Reichskriegsflaggen, selbst gemalt, auf Othmars Schiffen die deutsche, ich war der böse Engländer. Aus den Schornsteinen der angreifenden Schiffe quoll schwerer Watterauch, und schon flogen die ersten Geschosse, Mauersteine von Othmars Anker-Steinbaukasten.
»Halt«, kommandierte Onkel Didi. »Hier fehlt was.«
Othmar deutete, von Didi unbemerkt, leicht an seine lockenumwallte Stirn, um anzudeuten: »Jetzt hat er ’ne Meise.«
Laut sagte Othmar: »Was fehlt denn noch? Schiffe haben wir doch jetzt.«
Mit düsterer Miene sog Onkel Didi an seiner Pfeife. Dann sagte er:
»Wasser.«
Wir waren sprachlos. Wasser!
Während Onkel Didi im Kabinett seiner Postkartenschönheiten zurückblieb, transportierten wir die Monitore zu einem Teich gleich hinter dem Feld, in der Nähe des Zimmereiplatzes. Ein schwieriges Unternehmen, weil es unter den Augen der Laubenkinder durchgeführt werden musste. So rasten wir gebückt am Bahndamm entlang, wo uns der Lehrter D-Zug mit einem glühenden Aschenregen überschüttete. Aber wir kamen heil am Teich an und wasserten die Monitore.
»Mönsch, die haben ja Schlagseite«, stellte Othmar fest. In der Tat machten wir die Erfahrung, dass Bretter nicht immer waagerecht auf dem Wasser schwimmen, jedenfallsdann nicht, wenn sie mit allerlei Aufbauten versehen sind. Unsere blauen Jungs zogen Wasser, die Lineolmasse begann schnell von den Sockeln her aufzuweichen. Abwenden konnten wir ihr
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