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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Schicksal nicht mehr, denn die Schiffe trieben schon weit draußen auf dem Teich. Wir sammelten Steine. Othmar bombardierte mein Schiff, ich seine zwei. Durch Schnellfeuer erhöhte ich die Trefferzahl. Es gab Verluste, als einige Mariner über Bord gingen. Andere fielen um und quollen ziemlich auf, weil an Deck Wasser stand.
    Versenkt wurde diesmal kein Schiff. Ich knobelte mit Othmar, wer in den See waten sollte, um die Schiffe wieder an Land zu holen. Ich gewann. Aber Othmar zierte sich, und so zog ich mich aus und barg die Boote. Entengrützebedeckt stieg ich ans Gestade.
    »Danke«, sagte Othmar.
    Ede ließ mich die Seeschlacht schildern. »Macht das Spaß?«, fragte er.
    »Oh ja.«
    Die Folge war, dass Ede mir ein elegantes Mahagonispielboot mit Batterieantrieb schenkte. Damit war ich Othmars Flotte weit überlegen. Das nächste Mal machten wir einen noch größeren Umweg zum Teich, hinter dem Bahndamm entlang, weil wir verhüten wollten, dass mein Mahagoniboot etwa in Siegfrieds Hände fiele.
    Wir setzten unsere Einheiten aus. Bald hatten wir eine Menge Publikum. Die Eigenbaumonitore dümpelten in Teichmitte, das Motorboot surrte davon und zeichnete Heckwasser. An Bord machten mein Kapitän mit dem Säbel und zwei Matrosen Dienst. »Steuerbord – mehr Steuerbord«, rief ich. »Erstes Torpedorohr – fertig!« – Die Zuschauer blickten ernst. Ich legte die rechte Hand an einen nicht vorhandenen Mützenschirm und kommandierte: »Erstes Rohr – los!«
    Genau so führte sich Othmar zehn Meter weiter auf. Seine Monitore waren gefechtsklar. »Alle Mann auf Station«, schrie er. Und dann: »Salve, Feuer!«
    Wir feuerten gleichzeitig. Ich warf eine Steinsalve in Richtung von Othmars Monitore. Othmar hatte einen halben Mauerstein erwischt. Wasserfontänen schlugen über den Schiffen zusammen, einen Augenblick war nichts zu sehen, auch das Motorboot nicht. Dann tauchten die Monitore wieder auf, sie dümpelten auf der schweren Dünung des Teiches. Nur das Motorboot blieb verschwunden. Innig sagte Othmar:
    »Volltreffer, Herr Kaleun!«
    Das Publikum bestätigte, wild durcheinanderredend, die Meldung. Der Mauerstein hatte das Motorboot voll getroffen. Und versenkt. Mit Mann und Maus und Pertrix-Batterie.
    Das Publikum nahm Anteil. Einer hatte Othmar beim Ohr, und Othmar musste unter dem Arm des Mannes durchtauchen, um zu entkommen. »Lassen ’se doch den Jungen«, rief eine Frau mit Markttasche. Ein alter Herr murmelte ehrfürchtig: »Wie vor Tsingtau!«
    Dann verliefen sich die Leute. Diesmal tauchte Othmar in die Entengrütze, um die schwer havarierten Monitore zu bergen. Es lohnte kaum mehr.
    Vom Motorboot keine Spur.
    Auch Onkel Didi zeigte Ehrfurcht, als wir ihm den Ausgang der Seeschlacht berichteten. Er half uns, einen Fahnenmast am Elefantenfuß zu befestigen. In Laboe gingen die Flaggen auf Halbmast. Ein Admiral und vier Seesoldaten (aus beiden Flotten zusammengerechnet) hatten das Massaker vom Dorfteich überlebt.
    Ede fragte ein paar Tage später, wo denn das Boot sei. Ich sagte: »Ooch, bei Othmar.« Schließlich erfuhr Edealles. Er schnallte seinen Leibriemen ab und zwang mich in eine Rolle, die für einen Oberbefehlshaber von Seestreitkräften höchst unwürdig ist.
    Im Jahr darauf war Kapitän Didi aus unserem Leben verschwunden. Elefantenfuß und Zebrafell hatte er eingepackt und war abgedampft zu neuen Ufern, zu anderen Verwandten oder wieder nach Tampico, – wir wussten es nicht. Zurück blieben nur Rio Rita und die anderen Tänzerinnen auf den Postkarten an den Wänden seiner Dachstube. Sie hatten sich nicht mehr entfernen lassen. »So was Scheußliches«, zürnte Othmars Mutter. »Jetzt muss ich neu tapezieren lassen.«
    Kurz vor Ostern verteilte der Lehrer in der Volksschule die letzten Fleißbildchen an uns. Aus einem SA-Kalender. Ich wollte sie einrahmen und verstand nicht, dass Ede was dagegen hatte. Dann verließen wir die Volksschule. Verließen endgültig auch die Laubenkinder, die immer noch ihre Bleyleanzüge trugen und Glatze mit Vorgarten geschnitten bekamen, zum alten Preis von vierzig Pfennigen. Sie blieben zurück, und wir gingen in die neue Schule, wo wieder einmal, wie unsere Eltern mahnten und versicherten, der Ernst des Lebens begann.
    Würdig erwartete uns die neue Anstalt. Othmars Locken waren frisch geschnitten, er trug Knickerbocker. Neben ihm saß ich in der neu lackierten Bank und lauschte dem deutschen Diktat: »Der sterbende Löwe«. Ein Lehrer mit leichtem Sprachfehler gab

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