Muckefuck
Zehn-fünf-Sprenggranatpatrone klickerte in die Ladeschale, mein Zünderstellkopf fuhr auf, stellte die übermittelten Werte ein, bis die 40-Kilo-Pat-rone von Gummirollen ins Rohr gesogen wurde: Flutsch, Verschluss zu, ein Krachen, Rohrrücklauf, Verschluss auf, Hülse raus. Die nächste Patrone lag schon in der Ladeschale, Zünderstellkopf auffahren.
Ballistik und Porno lehrte Unteroffizier Niedlich, wenn wir nachts im Bereitschaftsbunker saßen, die Machorkazigaretten glommen:
»Die alte Sau, wenn sie ihre Pompöse über den Stacheldraht spreizt, welchen Schusswinkel hat sie da? Luftwaffenhelfer Kaiser!«
»Zwanzig Grad nach vorn unten, Herr Unteroffizier!«
»Richtig. Frieda, die kann euch wat über’ne Schussparabel beibringen.«
(Er meinte Frieda, die Stacheldrahtbraut, nicht Frieda, das Geschütz.)
»Der Mutter puste ick ne Salve unters Hemde, det der Flakbunker Zoo wackelt, wat, Bohne?«
Im Dunkeln lachte Obergefreiter Bruno Bohne, Ladekanonier von Frieda. Bohne teilte sich Frieda das Mädchen mit seinem Geschützführer, mit Unteroffizier Niedlich.
»Luftwaffenhelfer Gretner, Pulvertemperatur?«
»Achtzehn Grad, Herr Unteroffizier!«
»Im Arsch oder in der Möse gemessen?«
Alle lachten höflich.
»Also neulich«, fuhr Unteroffizier Niedlich fort, »Ick warte schon eine halbe Stunde am Stacheldraht, kommt Frieda anjestelzt. Sie stelzt nämlich, weil sie ein Holzbein hat. Bis oben rauf. Das ist praktisch. Die Eichenkeule klemmt se über den Stacheldraht. Für freie Schussbahn. Frieda rufe ich, hängs Bein rüber, der Pimmel war schon ganz kalt in der scharfen Luft. Sie balanciert ihren Holzwurmsilo rüber, das Aas trägt auch im Winter keinen Schlüpfer, ohne Mündungsklappe, rumms! Gruppenfeuer, Gruppe! Luftwaffenhelfer Mebes, was ist gut gegen Frostnase?«
»Weiß ich nicht, Herr Unteroffizier!«
»Det wissen se nich? Ballonsperre freilegen.«
»Jawohl, Herr Unteroffizier!«
»Was heißt Ballonsperre freilegen?«
»Weiß ich nicht, Herr Unteroffizier!«
»Mannomann! Det wird’n Endsieg! Ballonsperre freilegen heißt Titten raus, alle beide, Nase zwischenstecken. Verstanden?«
»Jawohl, Herr Unteroffizier!«
»Was heißt jawohl, Herr Unteroffizier! Wiederholen!«
»Jawohl, Herr Unteroffizier! Ballonsperre freilegen, Nase dazwischen!«
Obergefreiter Bohne lachte meckernd.
»Bruno, halt’s Maul«, befahl Niedlich, »also ick Dauerfeuer über’n Zaun, aber in der Rage lässt Frieda locker und der Stacheldraht pieckt mir von unten in die Munibunker. Frieda rufe ich, drück runter! Sie knallt das ganze Gewicht ihrer Zimmermannsstelze aufn Draht, der Zaun wackelt, Aufschlagzünder, peng, peng! Die Puppe rutscht mir doch fast aus den Fingern. Rohrrücklauf bestens, Vaunull sechzehn Metersekunden. Die Soße tropft am Draht runter, sieht aus wie Raureif. Das Aas lasse ich einfach stehen, Holzbein überm Zaun. Ich schicke dir Bruno, sage ich.«
Stille. »Und auf die Titten schien der Mond«, sagte Bruno leise. Wieder lachten alle, Niedlich wiehernd, wir pflichtschuldigst. »Ende Ballistikstunde«, sagte Niedlich. »Stehen Sie bequem!«
Die Alarmglocke. Flugzeug zwozehn! Schon ballern Nachbarbatterien. Wir rasen aus dem Bunker, Machorkazigaretten fliegen auf den Boden. Die Richtmaschinenmotoren heulen auf. Wie irre tanzen die Leuchtzeiger auf den Skalen. Frieda (das Geschütz) schwingt herum, Rohrerhöhung circa dreißig Grad, Anflug direkt von Norden. Ich kurbele die Zünderstellmaschine, die erste Sprenggranatpatrone klickert ins Rohr. Dauerfeuer.
Über uns, von Scheinwerferkreuzen erfasst, brummen die Lancaster. Rohrerhöhung jetzt achtzig Grad. Kopf einziehen. Kann sein, dass sie uns ein paar Koffer in die Batterie schmeißen. Niedlich, an der Sprechfunkleine, hüpft um die Kanone. »Abdecken!«, schreit er. »Himmel Arsch undFotzenschleim! Kurbelt doch! K 9 Sicherungen rein!« Um uns häuften sich leere Hülsen.
Es war jetzt sehr hell, weil die Scouts ihre Christbäume absetzten, Markierungen für den Bombenwurf. Außerdem brannte in der Batterie eine Baracke. Niedlichs Gesicht schimmerte rötlich, soweit es die Verpflasterung zuließ: Fünf oder sechs Heftpflaster verbargen das, was Rabumm schlicht mit Bumsbeulen zu bezeichnen pflegte. Auch Bruno Bohnes Gesicht war mit einer Eiterbeule verziert. Frieda (die gemeinsame Braut) hatte ihren beiden Stacheldrahtfummlern ein paar Millionen reger Streptokokken angehängt. Zitronebanane, das alte Stöpselspiel, von Ingrid einst besungen, war
Weitere Kostenlose Bücher