Muckefuck
Hauptmann!«
»Luftwaffenhelfer – stillgestanden! Unser Führer: Sieg heil! Sieg heil! Sieg heil! Wegtreten!«
Wir beeilten uns, den Dunstkreis des hohen Tieres zu verlassen.
»Haltet mal an«, sagte Rabumm, als wir in sicherer Entfernung waren. »Was steckt dahinter? Was meint ihr? In der Batterie sind mehr als zweihundert Luftwaffenhelfer, die mit uns gekommen sind, und die nicht entlassen werden. Versteht ihr das?«
»Kaum, und darüber hinaus kaumstens. Vielleicht sind wir zu doof für diesen Beruf.«
»Oder die SS schnappt uns wieder.«
»Dann nüscht wie türmen«, meinte Werner bestimmt.
Karl Kaiser, blaugraue Maus, packte seinen Rucksack. Beäugte den Stacheldraht, der ihn anderthalb Jahre lang fast hermetisch von der Außenwelt abgeschnitten hatte. Stacheldraht war, wie Bratlingspulver und Aspirin, genügend vorhanden. Von Friedas Holzbein niedergedrückte Partien, Bombenschäden, Beschädigungen durch Rost, willkürliche Drahtvernichtungen durch Außenstehende wurden schnell repariert. Mit blitzblankem, neuem, jetzt sogar rostschutzverzinktem deutschen Stacheldraht. Qualitätsstacheldraht. Arischem Stacheldraht ohne Zweifel.
Ungefähr zwanzig rucksackbepackte Luftwaffenhelfer marschierten abends zum Tor hinaus, ohne Begleitung diesmal, denn die dezimierte Batterie konnte es sich nicht leisten, für zu entlassende Luftwaffenhelfer, die noch hinter Schütze Arsch rangierten, einen Unteroffizier als Bärenführer beizustellen. So trug diesmal Werner Pethmann unseren mit Dienstsiegeln verzierten Marschbefehl in der Brusttasche.
Von Gaschendorf fuhr kein Zug mehr ab, keine Adele stand am Straßenrand und staunte. Niemand schaute. Ein paar zerbombte Waggons waren auf den ziemlich unversehrten Gleisen abgestellt, der Bahnhof, ohne Fensterscheiben, war verödet. Wir marschierten in mühevollem Gleichschritt die sieben Kilometer bis zur nächsten größeren Stadt, von wo uns ein Zug zur Reichshauptstadt bringen sollte, auf den Lippen ein bekanntes Lied, dessen Text wir ein bisschen für unsere Situation abgewandelt hatten:
Wir traben in die Weite,
die Uniform im Spind.
Die ganze Flak macht pleite,
wenn wir entlassen sind.
Und fragen uns die Leute:
Warum zieht ihr nach Haus’?
Dann brüllt die ganze Meute:
Hier hält’s kein Schwein mehr aus.
Trotz dieser defätistischen Version erreichten wir, ungehindert durch Partei- und Volksgenossen oder Militärorgane, in immer mehr zerstörtere Stadtviertel eindringend, jenen Punkt auf der Landkarte, wo der Bahnhof liegen musste.
Nur war kein Bahnhof mehr da.
Ein kürzlich hier abgeladener Bombenteppich hatte die Gebäude zum Einsturz gebracht.
Werner und ich erklommen den Gipfel des Schuttberges. »Mann«, sagte Werner, »hier möcht ick nach’m Krieg Maurer sein!« Von oben sahen wir am Horizont anscheinend intakte Gleisanlagen, davor gekrümmte Eisenteile und, übereinandergetürmt und zusammengeschoben, ehemaliges rollendes Material.
»Räder müssen rollen für den Sieg«, stand auf eine Lokomotive gemalt, die nahe beim Exbahnhof verröchelt war. Ein Stegreifpoet hatte mit Kreide weitergereimt: »Achsenbruch verkürzt den Krieg!«
Wir kletterten wieder herunter. An einem unversehrt gebliebenen Pfeiler klebte ein Plakat: »Vorsicht – Feind hört mit!« Darunter ein Schild mit Pfeil, das zur Bahnhofsmission wies, die jetzt auch unter den Trümmern begraben lag. Samt Kaffeeküche. »Aufladen«, sagte Rabumm. »Wir werden weitermarschieren!«
Durchs Bahnhofsviertel war wegen der Trümmer nichtzu gelangen. Wir mussten einen weiten Umweg machen, bis wir wieder die Gleise erreichten. Von einem provisorischen Bahnsteig aus wurden Züge abgefertigt. Von der Stadt war hier nicht mehr viel zu sehen, ein paar einzelne Lagerschuppen, zum Teil zerbombt, dienten der Feldgendarmerie als Quartier. Während wir auf einen Zug warteten, filzten uns die Kettenhunde mehrere Male, aber Rabumms Marschbefehl mit den vielen Stempeln und Dienstsiegeln, von Hauptmann Untrieb persönlich unterschrieben, hielt ihren lästigen Nachforschungen stand. Schließlich kam ein Zug, wurde gestürmt und fuhr nach mehreren Stunden ab. Nach zwei Tagen, auf vielen Umwegen, dauernd kontrolliert, erreichten wir die Reichshauptstadt. Unsere eisernen Rationen hatten wir längst verzehrt, und nachts waren wir fast erfroren, weil die Waggons längst keine Scheiben mehr besaßen.
»Mönsch, Berlin, so’n bissken jrün wirste ja doch wieder!«
Der alte Obergefreite, einer von jenen, die man
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