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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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kommen.
    Nachmittags politische Schulung! Auch hier ein paargeleckte Hengste mit Parteibonbon und blanken Stiefeln: »Wenn ich euch so sehe, dann wird es mir schwer, zu sprechen. Uns allen geht das Herz über vor Freude über euch.«
    »Mann«, sagte Wulle Schnief, »det kommt mir aber bekannt vor!«
    Aber es kam noch besser. Einer von den Torfköppen zitierte Aussprüche der Arbeitsdienstoberbonzen. Einer hatte gesagt: »Hier ergriff Hitler meinen Arm und sah mich an, als ob er einen brennenden Weihnachtsbaum vor sich sähe.« Ein Herr Gönner hatte folgenden Satz losgelassen: »Jede Arbeit erzieht. In der Arbeit haben wir darum den auf unseren Lebensweg bestellten Begleiter zu sehen, der unsere Kräfte in Anspannung hält, damit wir uns unserer Bestimmung gemäß entwickeln und gesund bleiben. -Jede andere Anschauung der Arbeit ist krank und führt so zum Untergang.«
    Derartige Sprüche hingen, fein in Fraktur gemalt, auch in der Kantine und verschönten uns die Lauchsuppe, die es hier täglich als Hauptgang gab. Andere Sprüche waren: Die Treue ist das Mark der Ehre oder: Deutsch sein heißt treu sein.
    »Ick fühle mir«, sagte Werner Pethmann, »durch Lochzapfen und Holznägel mit der Nation verbunden. Aber langsam reicht es!«
    Es reichte so sehr, dass Rabumm, Wulle und Arbeitsmann Karl Kaiser eines Tages eine Fliege machten: Wir türmten. Rabumm befestigte zwei Stäbe Dynamit an jenem Karteischrank der Lagerschreibstube, der unsere Akten enthielt. Die Zündschnur wählten wir sehr lang. Dann stellten wir unsere appellfähig polierten Spaten in die Ecke, kombinierten unauffälliges Räuberzivil aus Luftwaffengarderobenresten, Pullovern und Regenmänteln und trollten uns in finsterer Mitternacht. Wir waren schon ziemlich weit weg, als es hinter uns einen zahmen Bums gab. Nach einer Weile sahen wir Feuerschein. Es war die Schreibstubenbaracke, die abbrannte.
    Wir zogen nach Norden.
    Durch das offene Fenster eines Bauernhauses hörten wir am zweiten Mai den Wehrmachtsbericht:
    »An der Spitze der heldenmütigen Verteidiger der Reichshauptstadt ist der Führer gefallen. Von dem Willen beseelt, sein Volk und Europa vor der Vernichtung durch den Bolschewismus zu erretten, hat er sein Leben geopfert. Dieses Vorbild ›getreu bis zum Tod‹ ist für alle Soldaten verpflichtend.«
    Drei Tage später traf Generaladmiral von Friedeburg in Montgomerys Hauptquartier in der Nähe von Lüneburg ein und unterzeichnete die Kapitulation für alle Truppen, die gegen die Engländer kämpften, und für die Truppen in Holland und Dänemark. Wir fühlten uns betroffen. Der Arbeitsdienst würde ja nicht allein weiterkämpfen.
    »Nehmen wir also an, der Krieg ist für uns zu Ende«, sagte Werner. »Der klare blaue Blick des Führers ist erloschen. Winselnd sitzt des Führers Schäferhündin Blondie neben der Leiche. Das Herz zerreißt es einem. Und was tun wir? Hat jemand noch was zu essen?«
    Wulle Schnief und ich fanden keinen Brösel in unseren Taschen. Wir klotzten weiter, nach Norden, über die ausgestorbenen Landstraßen. Die Tieffliegerangriffe hatten aufgehört. Es war ein reizender Spaziergang im Mai. Auf den Weiden sahen uns die Kühe zu.
    Am Abend fanden wir, versteckt in einem Gehölz, einen deutschen Funkwagen, der mit Schoka-Kola, mit Fallschirmjägerschokolade vollgestopft war. Die beiden dazugehörenden Landser forderten uns auf, zu bleiben. Zwarsei die Ernährung etwas einseitig, aber verhungern könnten wir nicht.
    Wulle trabte am nächsten Tag in ein Dorf nicht weit entfernt und tauschte Schoka-Kola gegen Milch, Brot und Speck um. So lebten wir ganz gut.
    Der Funkwagen hatte die Antenne voll ausgefahren. Wir hörten BBC und deutsche Nachrichten.
    Die Russen hatten Berlin kassiert. Auf den Wiesen Holsteins blühten Tausende von gelben Blumen. Am 9. Mai schalteten die Landser zum letzten Mal eine deutsche Station ein, die einen Wehrmachtsbericht brachte:
    »Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslosen Kampf eingestellt. Damit ist das fast sechsjährige heldenhafte Ringen zu Ende. Es hat uns große Siege, aber auch schwere Niederlagen gebracht.«
    Und das war der springende Punkt.
    Wie richtig, dass wir Millies Rennpokale versoffen hatten! »Bleib übrig!«, hatte Ede zum Abschied gesagt. Mir war es gelungen. – Ob es ihm auch gelungen war?
    Viele Menschen waren auf einmal unterwegs. Aus Dänemark kamen die deutschen Landser, ihre

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