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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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Verwandte ihnen mitgebracht hatten.
    Auf dieser Station gab es viele andere Mäuse – vielleicht fühlte ich mich deshalb so wohl. Beispielsweise Laura im Bett nebenan, eine einundfünfzigjährige Maus, deren Mann sie mit einem Baseballschläger verprügelt hatte, weil das Abendessen angebrannt war. Dann gab es da die achtzehnjährige Beatrice im Bett gegenüber, deren witziges Geplänkel im krassen Gegensatz zu den dicken Verbänden an ihren Handgelenken stand. Zwischen uns gab es eine geheime Verbindung, die ich mit bitterer Ironie als
Kameradschaft der Mäuse
bezeichnete. Ich stellte mir gerne vor, welches Abzeichen wir an der Brust tragen würden: eine Maus mit gebrochenem Hals in einer Falle und darüber auf einem geschwungenen Banner unser Motto »Nati ad arum« –
geboren mit dem Opfergen
. Hatte Mum mir das vererbt?
    Wenn ich im Bett saß und in einer Zeitschrift blätterte oder auf meinen Skizzenblock kritzelte, war ich entspannt und blickte optimistisch in die Zukunft. In ihrer sadistischen Lust, mich zu verletzen, hatten Teresa, Emma und Jane sich selbst noch größeren Schaden zugefügt. Gewiss würde man sie für das, was sie mir angetan hatten, gerichtlich belangen – vielleicht mussten sie sogar ins Gefängnis. Auf jeden Fall würde man sie der Schule verweisen. Sie würden so oder so aus meinem Leben verschwinden. Ich könnte wieder zur Schule gehen, und alles würde wieder normal.
    Normalität! Herrliche, monotone, öde Normalität! Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen!

8
    Mein Optimismus schwand, nachdem ich entlassen worden und ins
eheliche Heim
zurückgekehrt war. Dort warteten die düsteren Erinnerungen an die gescheiterte Ehe meiner Eltern und meine zerbrochenen Freundschaften.
    Mum und ich bekamen Besuch von einem Polizeiinspektor, der uns in trockenem Ton mitteilte, dass sie kein Verfahren gegen die drei Mädchen einleiten würden, die ich beschuldigt hatte (das Wort
beschuldigt
hörte sich an, als wäre
ich
die Lügnerin!). Es gebe einfach nicht genügend Beweise. Keine andere Schülerin habe gesehen, wie sie mein Haar in Brand setzten. Die Eltern der jüngeren Mädchen, die zumindest gesehen hatten, wie sie mich gegen die Tür stießen, erklärten nachdrücklich, dass ihre Töchter nicht in ein Strafverfahren hineingezogen werden sollten. Falls nicht eine von ihnen das Verbrechen gestand und gegen die beiden anderen aussagte, konnte man nicht mit einer Verurteilung rechnen. Natürlich war mir klar, dass sie das niemals tun würden.
    Etwa eine Woche später traf ein Brief des Schuldirektors ein. Mum und ich lasen ihn gemeinsam beim Frühstück. Er wünschte mir zunächst eine rasche Genesung im Namen des Lehrpersonals und der Schüler (aller Schüler?), doch von da an ging es bergab. Nach einer »gründlichen Untersuchung«, so schrieb er, habe er keine objektiven Beweise gefunden, die die »Behauptungen« aus meinem Tagebuch stützten. Die drei Mädchen hätten »auf das Entschiedenste bestritten«, dass sie eine »Mobingkampagne«
(falsch geschrieben!)
gegen mich betrieben hätten, und »wiesen jegliches Mitwissen« über den »unglückseligen Vorfall« vom 23 . Oktober zurück. Er schrieb, er habe »starke Einwände« von den Eltern der drei Mädchen gehört, die »deren Unschuld überzeugend dargelegt« und auch »auf die Entscheidung der Polizei« hingewiesen hätten, »keine weiteren Ermittlungen durchzuführen«, weil diese jeder Grundlage entbehrten. Angesichts dessen habe der Schulausschuss beschlossen, »dass keine Disziplinarmaßnahmen gegen Teresa Watson, Emma Townley und Jane Ireson eingeleitet werden«.
    Weiterhin schrieb er, die Schule verfüge über eines der strengsten Antimobbingprogramme im Land und sei sehr stolz auf die beispielhaften Erfolge. Er hoffe, Mum erwäge keine rechtlichen Schritte gegen die Schule – wenn doch, wolle er »deutlich machen«, das diese »entschieden verteidigt« werden würde. Der letzte Absatz lautete:
    Wir freuen uns darauf, Shelley so bald wie möglich wieder in unserer Gemeinschaft willkommen zu heißen. Natürlich müssen wir Sie nicht daran erinnern, dass dies ein entscheidendes Jahr für Shelley ist. Im nächsten Juni findet die Abschlussprüfung der Klasse 10 statt. Daher sollten alle Anstrengungen unternommen werden, damit sie so wenig Unterricht wie möglich versäumt.
    Also würde es nicht nur keine Strafverfolgung geben, nein, sie würden für das, was sie mir angetan hatten, nicht einmal von der Schule verwiesen. Sie

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