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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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Kofferraumklappe auf und wurde kurz darauf wieder zugeknallt. Ich hielt im Rückspiegel Ausschau nach Mum, konnte sie aber nicht sehen. Es war, als wäre sie von der Nacht verschluckt worden.
Wo ist sie?,
fragte ich mich mit wachsender Sorge.
Wo ist sie hin?
Ich hörte, wie etwas Schweres ins Gebüsch fiel, und schaute nervös zum Garten.
Was zum Teufel war das?
    Plötzlich wurde die Fahrertür aufgerissen, und Mum stieg wieder ein.
    »Was war das für ein Geräusch?«
    »Die Werkzeugtasche«, sagte sie atemlos.
    »Werkzeuge?«
    »Er hatte eine Tasche mit Werkzeugen im Kofferraum. Ich habe sie über die Hecke in den Garten geworfen. Ich wollte lieber kein Risiko eingehen.«
    »Es hörte sich an, als hätte jemand –« Doch meine Stimme ging im Geräusch des Motors unter, der explosionsartig zum Leben erwachte. Wir holperten über die Böschung, und die Gangschaltung heulte auf, als Mum nach dem zweiten Gang suchte und den Motor überdrehte.
    »Schalten, Mum! Du musst hochschalten, Herrgott nochmal!«
    »Das versuche ich ja!«
    »Das Licht! Du hast kein Licht an!«
    Wir fuhren in die absolute Dunkelheit; es war unmöglich zu sehen, wohin wir uns bewegten. Mum tastete auf dem Armaturenbrett nach dem Lichtschalter, doch nun setzten sich die Scheibenwischer in Bewegung und wischten hektisch hin und her. Fluchend schaltete Mum sie wieder aus und versuchte es noch einmal. Jetzt ging der linke Blinker an und leuchtete ungeduldig auf, als hätte er einen nervösen Tick. Ich betete:
Bitte lass jetzt kein anderes Auto kommen, bitte lass kein anderes Auto kommen. Es wird uns über den Haufen fahren!
    Dann hatte sie den richtigen Schalter gefunden, und im gelben Licht erkannten wir die furchtbare Gefahr, in der wir uns befanden. Wir waren kurz davor, im Straßengraben zu landen. Ich schrie auf, und sie riss abrupt das Steuer herum. Ich rechnete schon damit, der Wagen würde abheben, doch irgendwie blieben wir mit allen vier Rädern auf der Straße. Wir schossen auf die gegenüberliegende Böschung zu, als Mum gegensteuerte, und landeten schließlich wieder auf dem Asphalt. Endlich fand sie den zweiten Gang, und das Heulen des Motors verstummte wie ein hungriges Tier, dem man Futter hingeworfen hat.
    Im Schneckentempo krochen wir über die gewundenen Straßen, wobei Mum noch immer mit der fremden Gangschaltung kämpfte. Etwa fünfzehn Minuten später landeten wir auf einer Nebenstraße und gelangten schließlich auf die Hauptstraße, die in die Stadt führte. Ich kam mir nackt und verletzlich vor, als wir die dunkle Landstraße hinter uns ließen und uns im hellen Schein der Laternen in den Verkehr einfädelten. Ich rutschte in meinem Sitz hinunter und hielt mir die Hände vors Gesicht. Wenn nun ein Freund von Paul Hannigan zufällig hinter uns fuhr und das Auto erkannte? Was würde er tun, wenn er zwei fremde Frauen im Wagen seines Freundes entdeckte? Ich bemühte mich, nicht daran zu denken …
    »Geht es nicht schneller, Mum?«, stöhnte ich.
    »Ich darf nur fünfzig fahren, Shelley. Wir wollen doch nicht, dass uns die Polizei anhält.«
    Ich duckte mich noch tiefer.
    Eine qualvolle Viertelstunde später tauchten die grellen Lichter des
Farmer’s Harvest
links von uns auf.
    Es war eine rustikale Restaurantkette, in der die Kellnerinnen wie Figuren aus einem Roman von Thomas Hardy gekleidet waren; die Wände waren mit Zaumzeugschmuck aus Messing und alten landwirtschaftlichen Geräten dekoriert. Das »Huhn« hingegen wurde in perfekten Rechtecken serviert und die Tomatensoße in kleinen Tütchen, die man extra bezahlen musste. Obwohl das Restaurant so scheußlich war, herrschte immer großer Andrang. Im Vorbeifahren bemerkte Mum gern, es sei der »schlagende Beweis« für das, was irgendein Schlaumeier mal gesagt hatte.
Publikumsgeschmack? Der Publikumsgeschmack ist scheußlich!
    Mum fuhr langsamer, blinkte links und bog vorsichtig wie eine Fahranfängerin bei der Prüfung auf den Parkplatz. Bloß keine Aufmerksamkeit erregen. Wir rollten an den Reihen parkender Autos vorbei bis nach hinten, wo es weniger hell war und Büsche und Bäume den Parkplatz säumten. Nirgendwo war ein Platz frei.
    »Sag nichts«, zischte Mum,
»sag jetzt nichts!«
    Wir drehten eine Runde über den gesamten Parkplatz, vergeblich. Bald fanden wir uns vor dem hell erleuchteten Restaurant wieder.
    »Noch einmal, Mum, noch eine Runde! Vielleicht haben wir einen übersehen!«
    Wir mussten eine Weile warten, als eine Gruppe von Leuten den Parkplatz

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