Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
Vom Netzwerk:
Theaterscheinwerfer durch die Wolkenbank, doch im Osten zogen rasch schwarze Regenwolken heran und tauchten die Felder in vorzeitige Nacht. Um sieben wäre es dunkel.
    Plötzlich klatschten Regentropfen gegen das Fenster, und ich zuckte zusammen. Die dunklen Wolken breiteten sich rasch aus und erstickten nacheinander die Sonnenstrahlen; die ganze Szenerie mit dem weiten Himmel, der zwischen Hell und Dunkel geteilt war, erinnerte mich an allegorische Gemälde aus dem 19 . Jahrhundert, die Titel wie
Der Kampf zwischen Gut und Böse
trugen.
    Ich sah zu, wie ein weiterer zarter Sonnenstrahl von der wirbelnden Finsternis verschlungen wurde. Es schien, als würde das Böse ganz und gar triumphieren.

26
    Es war stockdunkel, als Mum um halb acht nach Hause kam. Die schwarzen Regenwolken hatten auch das letzte Fleckchen Licht am Himmel erstickt, doch das drohende Unwetter war noch nicht losgebrochen. Stattdessen war ein launischer, lärmender Wind aufgekommen, der melodramatisch im Kamin heulte und die Fensterscheiben in ihren Rahmen erbeben ließ.
    Mums erste Worte waren: »Ist es noch da?«
    Ich nickte aufgeregt. »Ja, ist es!«
    Wir setzten uns an den Küchentisch und legten uns rasch einen Plan zurecht.
    »Ich bin mir immer noch nicht sicher, dass es sich um den Wagen des Einbrechers handelt«, setzte sie an, wobei sich ihre Brust deutlich unter der Kostümjacke hob und senkte. Ich verdrehte die Augen und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust. Sie fuhr rasch fort. »Wenn doch, sollten wir ihn nicht einfach auf irgendeinem Feldweg abstellen. Wir müssen ihn so weit wie möglich von hier wegschaffen – irgendwo in der Stadt lassen.«
    »Wo?«
    Sie schürzte nachdenklich die Lippen. »Ich dachte an das
Farmer’s Harvest
. Der Parkplatz ist riesengroß, und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Wir können ihn einfach abstellen und unbemerkt verschwinden.«
    Die Idee war gut – den Wagen an einer öffentlichen Stelle statt auf einer entlegenen Straße zu verstecken, wo vielleicht ein neugieriger Nachbar hinter den Gardinen lauerte.
    »In Ordnung, klingt gut.«
    Mum sah auf die Uhr und stand auf. Ich tat es ihr nach, wobei mich eine leichte Schwäche überkam, als stünde ich in einem Aufzug, der unvermittelt nach oben fährt.
    Sie drehte sich zu mir. »Und wir müssen daran denken, alles aus dem Auto zu holen, das die Polizei zu uns führen könnte. Und zwar,
bevor
wir es abstellen.«
    Ich nickte nachdrücklich.
    »Dann zieh jetzt die dunkelsten Sachen an, die du finden kannst. Und Handschuhe. Ich mache das Gleiche.«
    Während ich im Kleiderschrank nach meinem schwarzen Pullover mit dem Polokragen, der schwarzen Cordhose und dem alten schwarzen Mantel suchte, den ich seit meinem zwölften Lebensjahr besaß, kicherte ich vor nervöser Erregung – genau wie früher, wenn wir Verstecken spielten und ich den Atem der Suchenden nur Zentimeter von meinem Versteck entfernt gehört hatte. Wie oft hatte ich mich dadurch verraten! Kaum zu fassen, dass ich mich jetzt schwarz kleidete wie ein Fassadenkletterer, damit man mich im Dunkeln nicht erkennen konnte. Dass ich tatsächlich Handschuhe anzog, damit die Polizei meine Fingerabdrücke nicht fand. Es erinnerte mich so sehr an einen Film, dass es eigentlich nichts mit
meinem
Leben zu tun haben konnte.
    Als wir aus der Küche in den Garten traten, bemerkten wir überrascht, wie tief die Dunkelheit war. Ein paar Sekunden lang fühlte ich mich wie blind, und wir zögerten, bevor wir einen Schritt ins Unbekannte wagten. Der Mond war nicht größer als die Spitze eines Fingernagels und wurde regelmäßig von den dahinjagenden dunklen Wolken verdeckt, die der Wind wie eine geisterhafte Flotte über den Himmel trieb. Der Abend war so dunkel, dass ich keinen einzigen Stern sehen konnte.
    Vorsichtig ging ich in Richtung des Autos, doch Mum rief mit ängstlicher Stimme: »Shelley! Shelley, warte auf mich! Ich kann nichts sehen!«
    Ich blieb stehen und wartete, bis Mum sich an mir festhielt. Dann schlurfte ich zögernd vorwärts.
Die Blinde führt die Blinde
, dachte ich. Ich verlor die Orientierung und marschierte geradewegs gegen den Ast eines Obstbaums. Er traf mich schmerzhaft an der Schläfe, knapp neben dem Auge, und ich fuhr mit einem Aufschrei zurück, wobei ich Mum auf den Zeh trat.
    »Es hat keinen Sinn! Es ist zu gefährlich!«, rief sie über das Tosen des Windes hinweg. »Geh zurück und hole die Taschenlampe! Zweite Schublade unter der Spüle!«
    Kurz

Weitere Kostenlose Bücher