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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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überquerte. Sie sahen aus wie Hochzeitsgäste – die Frauen in engen, geschlitzten Kleidern und hochhackigen Schuhen, die Männer in Anzügen mit Nelken im Knopfloch. Doch trotz der eleganten Aufmachung wirkten sie irgendwie grob und bedrohlich. Ich bemerkte die tätowierten Fingerknöchel der Männer, die Pferdeschwänze und die obligatorischen Ohrringe. Sie schienen jetzt schon betrunken und grinsten uns dämlich an.
    Paul Hannigan mit seinem schmierigen langen Haar und dem Wieselgesicht hätte wunderbar zu ihnen gepasst. Ich schirmte die Augen mit der Hand ab und betete, dass niemand das Auto erkannte. Ein junger Typ mit rasiertem Kopf und Segelohren, dem eine Zigarette aus dem Mund baumelte, schlug mit der Faust auf die Motorhaube und brüllte etwas, das ich nicht verstand. Ich wand mich in meinem Sitz und wünschte mich weg,
irgendwohin
. Endlich rollte der Wagen weiter, und als ich aufblickte, drängten sich die Hochzeitsgäste vor der Restauranttür, brüllten und gestikulierten, und Segelohr warf lachend den Kopf in den Nacken – ein Lachen voll brutaler Bosheit und ohne jede menschliche Wärme.
    Wir fuhren wieder in den hinteren Bereich des Parkplatzes und kamen an anderen Autos vorbei, die ebenfalls nach einer Lücke suchten. Dann entdeckte ich eine in der Mitte der vorletzten Reihe und rief, Mum solle zurücksetzen.
    »Ich weiß nicht, Shelley, ich weiß nicht, ob ich da reinkomme.«
    Mum war hoffnungslos beim Einparken und setzte niemals rückwärts in eine Lücke, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ.
    »Es muss nicht perfekt sein, Mum. Fahr einfach rein. Und dann nichts wie weg!«
    Mum legte den Rückwärtsgang ein und rollte langsam in die Lücke. Sie hatte jedoch nicht weit genug eingeschlagen und musste einen weiteren Versuch starten. Auf meiner Seite parkte ein neu aussehender Geländewagen. Mum schaffte es wieder nicht und musste zum zweiten Mal vorfahren. Ihr Gesicht war ganz verzerrt vor lauter Konzentration, und sie hatte die Zähne zusammengebissen. Dann tauchte ein anderes Auto auf und wollte an ihr vorbei, doch wir blockierten den Weg. Knirschend legte Mum einen Gang ein und versuchte es noch einmal. Diesmal traf sie den richtigen Winkel, und wir konnten immerhin so weit in die Lücke fahren, dass das andere Auto vorbeikam. Sie setzte noch einmal vor, und dann standen wir richtig.
    Sie schaltete den Motor aus und seufzte erleichtert.
    »Gut gemacht, Mum«, sagte ich. Sie sah mich kopfschüttelnd an, als wollte sie sagen:
Was für ein Albtraum!
    Ich hatte kaum Platz, um auszusteigen, und bei Mum war es noch enger. Ich sah, wie die Tür sich in ihren Bauch drückte, als sie sich hindurchquetschte. Es gelang mir, mich halb hinauszuwinden. Ich wollte gerade mein rechtes Bein nachziehen, als die Welt um mich herum explodierte.
    Ein ohrenbetäubender Lärm, aufblitzende orangefarbene Lichter. Ich schoss herum und rechnete schon damit, von Polizeiautos umzingelt zu sein, doch es war nichts zu sehen. Ich stand da und schaute dumm aus der Wäsche. Dann dämmerte mir, dass die Alarmanlage des Geländewagens losgegangen war.
    Mum tauchte neben mir auf und zog mich mit sich. Ich konnte sie nur mit Mühe verstehen.
    »Keine Panik, Shelley, geh einfach weiter.«
    Ich gehorchte, war aber fest überzeugt, dass die Alarmanlage alle Gäste nach draußen locken würde. Dann verstummte sie plötzlich.
    Wir gaben uns gleichgültig und gingen rasch davon. Dann ertönte eine Männerstimme hinter uns.
    »Hey, wo wollen Sie hin?«
    Wir drehten uns um.
    Der Besitzer des Geländewagens stand da, den Schlüssel in der Hand, nachdem er die Alarmanlage ausgeschaltet hatte. Er war kräftig gebaut, hatte den Kopf rasiert und trug einen dunklen Kinnbart.
    »Sie können nicht einfach weglaufen, nachdem Sie ein fremdes Auto beschädigt haben«, knurrte er.
    Ich wollte schon losrennen. Wir mussten so schnell wie möglich weg, und zwar unbemerkt,
ohne Aufmerksamkeit zu erregen
. Wenn wir stehenblieben, würde dieser Mann uns der Polizei beschreiben können. Doch Mum hielt mich immer noch am Arm fest und rührte sich nicht.
    »Was meinen Sie damit? Wir haben Ihr Auto nicht beschädigt.«
    »Und ob«, grunzte er. »Ich habe Sie beobachtet. Die da war es, mit der Tür.« Er zeigte mit seiner grobknochigen Hand auf mich und beugte sich vor, um sein Auto zu untersuchen. Er strich mit den Händen darüber wie ein Tierarzt, der ein verletztes Vollblut untersucht.
    »Nein, das habe ich nicht«, sagte ich. »Die Tür hat Ihren

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