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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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blockiert die Straße. Jemand wird die Polizei rufen. Dann kommen sie und stellen Fragen!«
    »Wir können es nicht jetzt machen, Shelley, es ist zu riskant. Wir müssen warten, bis es dunkel ist.«
    Ich wollte protestieren, doch Mum unterbrach mich. »Ich weiß, dass es riskant ist, noch einen Tag abzuwarten, aber damit müssen wir leben. Jetzt muss ich ins Büro.«
    Sie stand schwerfällig auf, als trüge sie das ganze Gewicht der Welt auf ihren Schultern. An der Tür blieb sie stehen und sagte resigniert: »Hol die Schlüssel aus dem Müllbeutel. Wenn es sein Wagen ist, bringen wir ihn weg, sobald ich von der Arbeit komme. Dann müsste es dunkel sein.«
    »In Ordnung, Mum.«
    »Und, Shelley«, sagte sie im Gehen, »bleib von dem Wagen weg, bis ich komme.«
     
    Der Tag verging qualvoll langsam, während ich auf Mum wartete. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren. Bei Roger funktionierte ich wie ein Automat – sah alle paar Minuten auf die Uhr und fragte mich, wie die Zeit so langsam vergehen konnte. Während wir am Esstisch saßen und Gletschergeschiebe und unregelmäßige französische Verben paukten, konnte ich nur an den Wagen des Einbrechers denken.
    In eben diesem Augenblick rief vielleicht ein neugieriger Nachbar die Polizei, um einen Wagen zu melden, der die Straße blockierte. Die Polizei würde kommen und sich den Wagen genauer ansehen. Sie würden die Straße entlanggehen und auf unser Haus stoßen. Das war unvermeidlich, immerhin parkte der Wagen neben unserem Garten. Und es gab keine anderen Häuser in der Nähe. Sie würden an die Haustür klopfen und mich fragen, ob der Wagen uns oder jemandem, den ich kannte, gehörte. Was sollte ich dann sagen? Könnte ich mit ihnen sprechen, ohne mich verdächtig zu machen?
    Später würden sie kommen und den Wagen abschleppen, dann wäre unsere Chance dahin. Wenn Paul Hannigan als vermisst gemeldet worden war, könnte man seine Spur bis zu unserem Haus zurückverfolgen. Sicher würden sie zwei und zwei zusammenzählen. Außerdem lag vielleicht etwas im Wagen, das ihnen weitere Hinweise lieferte – unsere Adresse auf einem Zettel, eine Straßenkarte, auf der unser Haus markiert war. Falls Paul Hannigan wegen Einbruchs vorbestraft war, musste man kein Genie sein, um zu begreifen, dass er Honeysuckle Cottage ausrauben wollte – und danach nie wieder gesehen worden war.
    Je länger ich darüber nachdachte, desto ängstlicher wurde ich und desto schwerer fiel es mir, mich zu konzentrieren. Ich spürte, dass Roger zunehmend gereizt wurde, weil ich nicht zuhörte und falsche Antworten gab, doch er sagte nichts. Als er weg war, rannte ich nach oben, um zu sehen, ob der Wagen noch da war. Ich stöhnte erleichtert auf, als ich das türkisfarbene Dach durchs Laub schimmern sah. Ich verbrachte die ganze Mittagszeit auf dem Fenstersitz und schaute auf den hässlichen Wagen hinunter, wobei ich fieberhaft nachdachte.
    Ich dachte an Mum und wie sie sich am Morgen hatte einreden wollen, es sei nicht das Auto des Einbrechers. Ich war versucht, hinauszugehen und die Schlüssel auszuprobieren, damit ich ihr nachher sagen konnte, dass es wirklich sein Auto war. Dann würde sie endlich aufhören, sich verzweifelt an Strohhalme zu klammern. Aber ich tat es nicht. Ich wollte nicht gegen ihre ausdrückliche Anweisung verstoßen. Das wäre eine offene Kriegserklärung.
    In der Stunde, die ich dort saß, fuhr kein einziges Auto und kein Traktor die Straße entlang, nur ein einsamer Radfahrer in einem hautengen, harlekinbunten Trikot. Er warf im Vorbeifahren einen flüchtigen Blick auf das Auto, fummelte aber mit einer Hand an seiner Tasche herum und lenkte mit der anderen.
    Mrs Harris brachte mir ein Geburtstagsgeschenk mit – eine Schachtel teure belgische Pralinen –, das ich jedoch kaum zur Kenntnis nahm. Während sie über Prismen und Lichtbrechung schwafelte, konnte ich nur an eines denken:
Das Auto muss weg, das Auto muss weg!
Ich war davon überzeugt, dass die Polizei uns noch heute verhaften würde, wenn sie es fände. Wenn wir Glück hatten, würde es noch ein paar Stunden länger dort stehen, und wenn Mum und ich es unbemerkt wegschaffen konnten, hätten wir tatsächlich eine Chance.
    Das türkisfarbene Auto war noch da, als Mrs Harris nach Hause fuhr. Ich schaute aus meinem Fenster und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Fensterbank. Es war erst Viertel vor fünf, wurde aber schon dunkel. Im Westen drangen noch hier und da lange Finger aus Sonnenlicht wie

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