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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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eingedöst. Mir kam es vor, als wären wir eine Ewigkeit auf diesen Landstraßen gefahren, die ständig Kurven machen. Dann entdeckte Paul dieses Haus hier.
    »Wir haben da hinten geparkt.« Er deutete mit dem Daumen in Richtung Straße, wo ich den Wagen von meinem Schlafzimmerfenster aus gesehen hatte. »Es war spät, etwa halb vier. Laut Plan sollte ich im Auto bleiben und aufpassen, während Paul ins Haus einstieg. Ich sollte dreimal hupen, wenn jemand auftauchte. Paul stieg aus, und dann ist er durch die Hecke in Ihren Garten gekrochen.«
    Er wusste das Datum, er wusste die Uhrzeit, er wusste, wo der Wagen gestanden hatte. Er sagte die Wahrheit. Er war in jener Nacht wirklich hier gewesen.
    »Ich habe eine Ewigkeit im Auto gewartet, war aber so betrunken, dass ich nicht wach bleiben konnte. Ich bin aufgewacht, als ein Mädchen geschrien und Paul gebrüllt hat – das war in der Nähe, als wären sie draußen im Garten. Ich bin ausgestiegen, um zu sehen, was da vorging, und bin wie Paul durch die Hecke gekrochen. Ich konnte genau in die Küche sehen – ich habe nur wenige Sekunden dagestanden, aber das reichte. Ich habe gesehen, wie Paul sie« – er nickte in meine Richtung – »immer um den Küchentisch gejagt hat.« Er tippte dreimal mit seinem stummeligen Zeigefinger auf die Tischplatte, als wollte er die Wahrheit seiner Worte unterstreichen.
    (Ich hatte auf den Rücken des Einbrechers eingestochen. »Wir spielen Reise nach Jerusalem! Wir spielen Reise nach Jerusalem!« Wild war das Messer durch die Luft gefahren und hatte ihn am Hals getroffen, und ein Geysir aus hellrotem, arteriellem Blut war ausgebrochen.)
    »Sie hat geschrien wie am Spieß, und sie war voller Blut«, fuhr der fette Mann fort. »Ich dachte, sie hätte Paul auf frischer Tat ertappt, und er wäre durchgedreht und hätte sie mit dem Jagdmesser aufgeschlitzt. Ich dachte, die Eltern würden jeden Moment runterkommen, und Paul würde sie auch töten. Ich weiß noch, dass ich dachte:
Er hat die Blutlust in sich. Er bringt alle im Haus um. Er sticht sie alle ab. Das wird ein richtiges Massaker.
«
    Mit einigen kurzen, heftigen Grunzlauten würgte der fette Mann wieder Schleim hoch, und schob die Brille zurecht.
    »Da bin ich in Panik geraten. Ich meine, ein bisschen Klauen ist ja in Ordnung, aber mit Mord wollte ich nichts zu tun haben. Also bin ich ganz schnell nach draußen.
    Aber als ich zum Auto kam, fiel mir ein, dass Paul meine Autoschlüssel mitgenommen hatte. Ich hab nie gelernt, ein Auto kurzzuschließen, Autodiebstahl ist nicht mein Ding. Aber die Schreie aus dem Haus waren so schrecklich, also bin ich einfach zu Fuß zurück. Draußen war es pechschwarz, das kann ich Ihnen sagen, und ich hab mich auf diesen Landstraßen total verirrt, bin aber einfach weitergelaufen. Ich wusste nur, ich muss so schnell wie möglich weg von dem Haus.
    Jedenfalls war ich irgendwann wieder auf der Hauptstraße und bin bis in die Stadt gelaufen. Muss an die drei Stunden gedauert haben. Als ich zu Hause war, hab ich Pauls Handynummer angerufen. Es hat ewig geklingelt, aber er ist nicht rangegangen.
    (Weich, gedämpft, eine Reihe musikalischer Töne wie von einem Vogel oder einem Insekt. Es verstummte und ertönte ein paar Sekunden später erneut.)
    Ich rechnete damit, dass Paul jeden Augenblick blutüberströmt in meiner Wohnung auftauchen würde. Er würde sagen, er hätte was Schreckliches getan, und ob ich ihn verstecken oder ihm bei der Flucht helfen könnte. Aber er kam nicht. Ich hab sein Handy noch mal angerufen, aber jetzt war es ausgeschaltet. Ich habe jede Menge Nachrichten hinterlassen, aber er hat nie zurückgerufen. Ich hatte den ganzen Tag über Lokalradio an, weil ich damit rechnete, dass sie über ein Blutbad in einem Haus auf dem Land berichten würden, aber da kam nichts. Ich dachte, sie hätten die Leichen noch nicht gefunden. Später dachte ich, er wäre mit meinem Auto abgehauen. Hätte zu viel Angst vor der Polizei, um herzukommen. Ich ging davon aus, dass er schon weit weg und oben im Norden untergetaucht war.«
    Es war ein seltsames Gefühl, als ein Fremder unsere Tat beschrieb; ich bekam eine Gänsehaut. Außerdem wurde mir klar, dass es durchaus so hätte laufen können. Wenn wir das Falsche gesagt oder einen Fluchtversuch unternommen hätten, während Paul Hannigan uns mit dem Messer bedrohte, hätten sich die Vermutungen des fetten Mannes durchaus erfüllen können – und am Dienstagmorgen wäre Roger auf unsere Leichen

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