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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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Gefängnis brachte, die schattenhafte Gestalt hinter dem Steuer.
Wer ist das?
, hatte Mum mich im Traum gefragt.
Der Wächter
, hatte ich geantwortet. Hatte ich möglicherweise die ganze Zeit geahnt, dass Paul Hannigan nicht allein gewesen war? Und war diese Ahnung so tief in meinem Unterbewusstsein vergraben, dass sie sich mir nur im Traum enthüllen konnte?
    »Wie gesagt, ich kam einfach nicht dahinter. Ich hatte Ihr Mädchen blutverschmiert gesehen, und ich war sicher, dass Paul sie umgelegt hatte. Und nun war sie hier, beim Einkaufen, fit wie ein Turnschuh. Aber Paul war wie vom Erdboden verschluckt. Keiner hatte ihn gesehen, keiner hatte von ihm gehört. Das ergab einfach keinen Sinn. Und wenn ich auf seinem Handy anrief, war die Leitung einfach … tot.«
    (Mums seltsame Grimasse, als sie das Handy zertrümmert hatte.)
    »Und da hab ich mir gedacht, dass Sie
ihm
vielleicht was angetan haben.«

40
    Die Wolken hatten sich vollständig aufgelöst, und goldenes Sonnenlicht erfüllte die Küche. Es wurde von der Brille des fetten Mannes reflektiert, so dass seine Augen hinter zwei gleißenden Rechtecken verschwanden.
    Die überschwängliche Frühlingssonne passte überhaupt nicht zu der Szene, die sich in unserer Küche abspielte. Ich dachte unwillkürlich, dass der Erpresser in einem Roman oder Film gewiss inmitten eines heftigen Gewitter aufgetaucht wäre, mit rollendem Donner, grellgelben Blitzen und sintflutartigem Regen als Untermalung. Doch dies hier war keine Fiktion, dies war das wirkliche Leben. Er saß in unserer sonnenhellen Küche und löste langsam die Fäden von dem Tuch, in das wir Paul Hannigans verwesende Leiche eingenäht hatten, während der Tag draußen zu Picknick, Grillparty und Eis am Meer einlud.
    Er fixierte Mum, die Hände über dem Bauch gefaltet, als hätte er einen leuchtend gelben Beachball gefangen und wollte ihn gerade zurückwerfen. »Yeah«, wiederholte er, »da kam mir der Gedanke, Sie beide hätten ihm vielleicht was angetan.
    Ich hab versucht, mich an die Nacht zu erinnern und was ich in den wenigen Sekunden gesehen hatte, in denen ich vom Garten in die Küche geschaut hatte. Ich konnte mich ziemlich gut erinnern, obwohl ich so betrunken gewesen war: Die Küche war hell wie eine Bühne im Fernsehen, und Paul jagte das Mädchen immer um den Tisch. Wieder und wieder habe ich darüber nachgedacht. Ich
musste
etwas übersehen haben, denn Paul hatte niemanden getötet. Es machte mich wahnsinnig – und dann endlich kam ich drauf!
    Ich hatte mich nämlich die ganze Zeit auf Paul konzentriert, hatte nur daran gedacht, was
er
getan haben könnte. Aber als ich mich auf das Mädchen konzentrierte – veränderte sich alles wie durch Zauberei. Paul hatte nicht
sie
um den Tisch gejagt –
sie
hatte
ihn
gejagt! Und wenn sie ihn gejagt hatte«, fügte er grinsend hinzu, »dann war es vielleicht auch gar nicht ihr Blut.«
    Mums rechte Hand glitt unauffällig in die Bauchtasche der Fleecejacke. Ich wusste, sie hatte die Hand an der Waffe. Entsicherte sie gerade die Pistole? Schickte sie sich an, ihn zu erschießen?
    Der Erpresser hatte die Bewegung nicht bemerkt. Unbekümmert fuhr er mit seiner Geschichte fort.
    »Wenn Paul in diesem Haus etwas zugestoßen war, musste es irgendeinen Hinweis geben. Also beschloss ich, noch mal zurückzukommen und mich umzusehen.«
    Ich sah, wie Mum sich zu voller Größe aufrichtete und den Rücken streckte. Sie wusste, dass es keine Hinweise gegeben hatte; dafür hatte sie gesorgt, und zwar gründlich. Dennoch ahnte ich voller Schrecken, was der Erpresser gleich sagen würde, und meine Knie begannen zu zittern.
    »Ich hatte ja gesehen, dass Sie am Samstagmorgen einkaufen gefahren sind. Also bin ich am nächsten Samstag wiedergekommen, weil ich auf eine feste Gewohnheit tippte. Und bitte, gegen zehn sind Sie beide weggefahren und haben im Auto geplappert wie die Kanarienvögel. Also bin ich ins Haus reingegangen.«
    »Wie sind Sie hineingekommen?«, fragte Mum entsetzt.
    »Paul mag ja viel Unsinn geredet haben, aber mit den Fenstern bei den alten Häusern hatte er recht – die bekommt man auf wie nichts. Ich sehe, dass Sie jetzt Schlösser angebracht haben. Sehr vernünftig.
    Jedenfalls habe ich das Haus von oben bis unten durchsucht, konnte aber nichts finden. Es war tiptop sauber, und ich hatte fast schon aufgegeben, als ich
das hier
fand.«
    Er beugte sich vor und griff in seine Gesäßtasche, wobei sich sein Gesicht dunkelrot verfärbte. Sein Atem ging

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