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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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betätigen, bevor er einen weiteren Schritt ins Haus machte? Doch sie ließ die Hand wieder sinken, drehte sich um und ging langsam in die Küche.
    Der fette Mann folgte ihr, und ich ging zögernd hinterher. Mir fiel auf, dass er hinkte. Wenn er das Gewicht auf den linken Fuß verlagerte, neigte sich sein Körper zur Seite. Einer seiner Turnschuhe gab bei jedem Schritt ein furzendes Geräusch von sich.
    Als wir alle in der Küche waren, wandte sich Mum an den Erpresser.
    »Sie sind also für
das hier
verantwortlich?« Sie hielt den Zettel hoch wie eine Lehrerin, die einen ungezogenen Schüler ausschimpft.
    »In der Tat!«, erwiderte er fröhlich und näherte sich dem Stuhl, auf dem Mum vorhin noch gesessen hatte. »Darf ich?«
    »Nein, dürfen Sie nicht!«, schnauzte sie, doch er setzte sich trotzdem.
    Als er es sich bequem gemacht hatte, schaute er sich selbstzufrieden um und schob mit einem Schubs seines rosigen Zeigefingers die Brille zurecht.
    Wie viele fette Menschen besaß er ein ewig jugendliches Gesicht, als machten runde Wangen und Grübchen im Kinn einen immun gegen die Verwüstungen der Zeit. Hier auf dem Küchenstuhl, der unter seiner Masse an ein Kindergartenstühlchen erinnerte, kam er mir vor wie ein monströser Schuljunge, ein kahler, krimineller Billy Bunter, der nicht länger hinter seinen Schreibtisch passte. Sein femininer Schmollmund und die Himmelfahrtsnase hätten auch zu einem Opfer gepasst, zu einer Maus, doch die sanften Züge standen in starkem Kontrast zu den kurzen, tätowierten Armen. Diese erzählten eine andere Geschichte, kündeten von Stunden, die er beim Krafttraining verbracht hatte, um sie in tödliche Waffen zu verwandeln, in brutale Kolben, die Kiefer und Nasen brachen. Er faltete sie über seinem gelben Bauch und musterte Mum gemächlich von Kopf bis Fuß.
    »Na was denn, Schätzchen? Bezahlen Sie die zwanzig Riesen, oder muss ich zu den Bullen gehen?«
    »Ich bezahle«, erwiderte Mum prompt.
    »Gut«, strahlte er. »Sehr vernünftig. Wie lange brauchen Sie, um es zu besorgen?«
    »Das weiß ich nicht.« Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Ich muss eine Hypothek beantragen, aber das dürfte nicht länger als zwei oder drei Wochen dauern.«
    »Ein paar Wochen kann ich warten«, erwiderte er großzügig. »Aber wie viel kriege ich heute? Sofort?«
    »Ich habe etwa fünfzehnhundert Pfund auf der Bank«, erwiderte sie nach kurzem Überlegen.
    »Können Sie das heute für mich besorgen?«
    »Ja, das geht. Wenn ich in die Stadt zu meiner Bank fahre, kann ich es am Automaten –« Sie atmete scharf ein. »Nein, jetzt fällt es mir ein. Ich habe ein Tageslimit auf beiden Konten. Ich kann von jedem nur dreihundert abheben.«
    »Das reicht für den Anfang, das reicht.« Er klopfte sich auf die Schenkel und strahlte mich an, als stünde alles zum Besten, als müsste sich niemand irgendwelche Sorgen machen. »Worauf warten wir?«
    Ich staunte über seine unbeschwerte Fröhlichkeit. Er schien sich überhaupt nicht bewusst zu sein, dass er ein Verbrechen beging. Schlechtes Gewissen oder Schuldgefühle schienen ihm vollkommen fremd, und er tat, als triebe er einfach nur Schulden ein, die ihm rechtmäßig zustanden.
    Mum lief erregt durch die Küche und kam zurück zum Tisch. Ihre Hände umklammerten die Lehne des leeren Stuhls wie Vogelkrallen einen Ast
(aber was für ein Vogel – ein Singvogel, der sich im Netz des Jägers verfangen hat, oder ein Raubvogel, der sein Opfer anvisiert?)
.
    »Ich gebe es nicht einfach so her!«, brach es aus ihr heraus.
    »Ich glaube, Sie haben keine Wahl, Schätzchen«, erwiderte der Erpresser. Sein Babygesicht verdüsterte sich, und die stummeligen Arme fielen bedrohlich auf den Küchentisch. »Ich weiß, dass Sie ihn umgebracht haben. Ich weiß, dass Sie Paul Hannigan umgebracht haben.«
    Der Name sagte Mum nichts. Mir schon. Als ich ihn hörte, zuckte ich zusammen, und obwohl ich auf der anderen Seite der Küche stand, so weit wie möglich von ihnen entfernt, drängte ich mich noch tiefer in die Ecke.
    »Bevor ich Ihnen Geld gebe«, fuhr Mum tapfer fort, »muss ich einige Dinge wissen.«
    Der fette Mann stieß ein widerliches Grunzen aus und würgte Schleim aus der Kehle hoch. Überraschend flink zauberte er ein Taschentuch hervor und spuckte einen grünen Knubbel hinein. Er faltete es und steckte es wieder in die Tasche. Dann schob er die Brille ungeduldig nach oben und sah Mum fragend an.
    »Was für Dinge? Sie können hier keine Forderungen

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