Mueller, Carin
schälte Kartoffeln, Elisa saß am Boden und spielte mit großen Plastikbauklötzen, und Hugo lag schlafend in seinem Körbchen. Es klingelte. Antonella öffnete die Tür und fand sich Franziska Förster gegenüber, ihrer Mieterin aus dem zweiten Stock. O nein, dachte sie, brachte aber ein einigermaßen freundliches Lächeln zustande. Familie Förster war im Sommer im zweiten Stock des Vierparteienhauses in der Weberstraße eingezogen, das Antonella von ihrer Großtante geerbt hatte. Und zunächst schienen die vier echte Traummieter zu sein, wenn auch mit einem etwas exzentrischen F-Tick. Franziska war mit Fabian verheiratet, und ihre fünf- bzw. dreijährigen Kinder hörten auf die Namen Fee und Finn. Doch seit Herbst war ein fünftes F dazugekommen: Forderungen. Mal waren die Nachbarn aus dem dritten Stock, ein älteres Ehepaar, das schon seit über zwanzig Jahren hier wohnte, zu laut, mal war der Keller zu feucht, mal waren die Armaturen im nagelneu renovierten Bad zu kompliziert für die Kinder, und, und, und. Was es wohl diesmal gab?
»Antonella, es ist viel zu fußkalt in unserer Wohnung«, kam es prompt anklagend von Franziska. »Wir heizen und heizen, aber der Boden bleibt kalt. Die Meerschweinchen haben sich auch schon erkältet. In unserer alten Wohnung hatten wir ja Fußbodenheizung.«
Antonella seufzte. »Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt machen? Habt ihr es schon mal mit dicken Socken versucht? Es ist Winter, da ist’s halt immer etwas kühler. Außerdem ist das ein altes Haus mit Originalholzböden von 1890, da wäre eine Fußbodenheizung ein echtes Sakrileg. Aber das wusstet ihr doch auch beim Einzug.«
»Es wäre schon hilfreich, wenn die Wohnung im ersten Stock besser geheizt wäre.«
»Die steht aber, wie ihr wisst, im Moment leer. Und deshalb wird da auch nicht volle Pulle geheizt.« Bis vor kurzem hatten Georgia und Tim dort gewohnt und die Wohnung bei ihrem Umzug nach New York dann teilmöbliert hinterlassen. Antonella und Adrian wollten sich demnächst darum kümmern.
»Das wäre mein nächstes Thema: Gute Freunde von uns suchen eine Wohnung …«
Gott behüte, dachte Antonella, sagte aber stattdessen: »Weißt du was, ich drehe oben einfach die Heizung etwas höher. Wir wollen ja nicht, dass die Meerschweinchen noch kränker werden!« Sie schnappte sich den Schlüssel und machte sich auf den Weg nach oben.
Franziska folge ihr auf den Fersen. »Also, dass du dein Kind alleine mit dem Hund in der Wohnung lässt. Da könnte ja alles Mögliche passieren.« Als von Antonella keine eindeutige Reaktion kam, fuhr sie fort: »Na ja, du wirst schon wissen, was du tust. Aber ich finde das nicht gut. Auch nicht, dass die Kleine jeden Tag so lange in der Krippe ist …«
»Danke für den Hinweis, Franziska«, sagte Antonella säuerlich. Fabian arbeitete fast rund um die Uhr als Investmentbanker – einer derjenigen, die noch einen Job hatten –, und die frühere Controllerin Franziska war seit der Geburt ihres ersten Kindes eine leidenschaftliche Vollzeit-Öko-Mama, mit einer in Stein gemeißelten Meinung zu fast allen Dingen rund ums Thema Nachwuchs. Antonella hatte die Heizung höhergestellt und überhörte Franziskas weitere Kommentare. »So, jetzt sollte es etwas wärmer werden. Schönen Abend noch.« Damit lief sie wieder ins Erdgeschoss und in ihre Wohnung zurück.
»Sternchen, das ist aber wirklich fies!« Elisa war zu Hugo ins Körbchen gekrabbelt und mümmelte genüsslich an seinem Hundekauknochen herum. Antonella hob ihre Tochter hoch und nahm ihr die fragwürdige Delikatesse weg. Elisa fing herzzerreißend zu weinen an und steigerte sich in ein hysterisches Gebrüll, als ihre Mutter ihr auch noch mit einem Feuchttuch Gesicht und Hände abrubbelte. Dazu kläffte Hugo wütend, der seine neue kleine Freundin vor solch rüden Übergriffen beschützen zu müssen glaubte.
»Puh, was für eine Erleichterung: doch nur meine Familie! Ich dachte, ich betrete ein Hitchcock-Filmset.« Adrian stand grinsend in der Küchentür. In dem Lärm hatte ihn niemand heimkommen gehört. Er küsste Antonella zur Begrüßung und nahm ihr Elisa ab, die augenblicklich zu weinen aufhörte und ihren Papa anstrahlte. Und auch Hugo hatte sein Gebell schlagartig von aggressiv auf freundlich umgestellt. »Was ist denn los?«
»Ach, nichts weiter«, antwortete Antonella kopfschüttelnd und setzte den Topf mit Kartoffeln auf. »Nur dass sich der Hund, Franziska und unsere Tochter wohl einig sind, dass ich
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