Mueller, Carin
war deutlich, dass bei Regina Jägers Antwort diesmal keine jahrelange Routine zum Zug kam. »Dass Frau Theiß – Annalena – ursächlich mit dem Ableben Ihres Gatten zu tun hat, können wir im Augenblick weder bestätigen noch ausschließen. Tatsache ist, dass sie den Rettungsdienst gerufen hat. Offenbar hat Ihr Mann einen Herzinfarkt erlitten, während er und Frau Theiß, äh …« Sie blickte hilfesuchend zu ihrem Kollegen.
»Während er und diese kleine Schlampe in der Villa Kennedy Sex hatten!?«, brach es aus der fassungslosen Katia heraus. Als die beiden Polizisten bestätigend nickten, schlug sie sich die Hände vors Gesicht. Ihr wurde fürchterlich übel, und sie begann am ganzen Körper zu zittern. Olga stupste sie an und legte ihr den Kopf auf ein Bein. Thorsten Stadler reichte ihr ein Glas Wasser. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass der Zimmerservice inzwischen da gewesen war.
»Geht es wieder?«, fragte er. »Wir müssen Ihnen jetzt leider einige Fragen stellen.«
Mechanisch beantwortete sie alles: Wie lange sie denn schon in Frankfurt seien? Knapp drei Monate. – Was Aristidis in Deutschland zu tun gehabt hätte? Geschäftliche Dinge regeln. – Irgendwelche Details? Nein. – Gibt es Familie in der Stadt? Nur Aris’ ältesten Sohn Damianos. – Hatte sie Kontakt zu ihm gehabt? Nein, sie kannte ihn praktisch gar nicht. – Wie war es um ihre Ehe bestellt? Nicht gut. – Wann hatte sie von seinem Verhältnis zu Annalena Theiß erfahren? Erst gestern aus der Illustrierten. – Wie hatte sie das aufgenommen? Völlig geschockt. – Vielleicht auch etwas wütend? Natürlich, auch wütend. Unfassbar wütend! – Wann hatte sie ihren Mann das letzte Mal gesehen? Vorgestern Nachmittag. – Was hatte sie gestern Abend gemacht? Alleine in der Suite herumgesessen und auf Aris gewartet. – Gab es dafür Zeugen? Nur den Zimmerservice. Und so ging es endlos weiter. »Unterstellen Sie mir etwa, ich hätte meinen Mann umgebracht?«, fragte Katia schließlich.
»Wir überprüfen nur alle Möglichkeiten.«
»Sie haben mir selbst erzählt, dass er sich gerade mit dem Mädchen vergnügte, als er starb. Und glauben Sie mir, da war ich sicherlich nicht vor Ort.«
»Wie gesagt, wir überprüfen alle Optionen. Ihr Mann wird gleich heute Morgen gerichtsmedizinisch untersucht. Danach wissen wir mehr.«
Als die beiden Polizisten gegen halb sechs Uhr morgens das Hotel verließen, fühlte sich Katia völlig leer und taub. Sie wusste nicht, was sie denken, was sie tun sollte. Lange saß sie einfach nur in dem Sessel und starrte aus dem Fenster. Als eine ganze Weile später das erste trübe Tageslicht ins Zimmer fiel, stand sie auf und ging unter die Dusche. Der harte Strahl heißen Wassers riss sie schließlich aus ihrer Schockstarre. In ein paar Stunden wollten sich die beiden Polizisten wieder bei ihr melden. Bis dahin sollte sie die Sachen ihres Mannes durchsehen und über alle Kontakte, die er hier möglicherweise gehabt hatte, nachdenken. Erste Ergebnisse der Autopsie sollten dann ebenfalls schon vorliegen. Katia lachte bitter auf. Da hatten die beiden Beamten tatsächlich mehr oder weniger subtil die Möglichkeit in den Raum gestellt, dass sie Aris umgebracht haben sollte. Ja, sie hatte geahnt, dass er sie verlassen würde. Aber sicher nicht auf diese Art. Und auch wenn sie sich nach Lektüre des Annalena-Artikels bis aufs Blut erniedrigt gefühlt hatte, war diese Unterstellung mehr als lächerlich. Was hätte sie schon davon? Aris war bislang zu all seinen Exfrauen ausgesprochen großzügig gewesen – nicht zuletzt, um sich größere Skandale zu ersparen –, und sie hatte damit gerechnet, sich in den nächsten Monaten mit einem netten kleinen Häuschen in Notting Hill und einer üppigen »Ablösesumme« trösten zu können. Dann hatte sie in Ruhe ihre Wunden lecken und überlegen wollen, was sie mit ihrem weiteren Leben anfangen sollte.
Die erste Zeit mir Aris war ja wirklich schön gewesen. Er hatte sie buchstäblich auf Händen getragen und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Doch in den letzten drei, vier Jahren war er immer unzufriedener geworden, hatte ihr vorgeworfen, »keine richtige Frau« zu sein, weil sie keine gemeinsamen Kinder hatten. In seinen Augen war das das Schlimmste, was sie ihm, dem stolzen griechischen Magnaten, antun konnte. Damit stellte sie sein ganzes männliches Selbstverständnis in Frage, von seinem Image ganz zu schweigen. Ihr zarter Einwurf, dass seine vier Kinder aus den
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