Mueller, Carin
bittebitte ein »elegant-seriöses Executive-Outfit« wählen möge. Deshalb trug sie jetzt ein schmales schwarzes Kleid mit einer kuscheligen, bordeauxfarbenen Strickjacke darüber.
»Sind Sie schwanger?«
»Ist das ein Problem?« Antonella zog eine Braue hoch. Was bitte war das denn für ein merkwürdiger Einstieg?
»Nein, natürlich nicht. Wann ist es denn so weit?«
»Anfang April, aber bis dahin haben wir Ihre Wohnung sicherlich schon lange fertig. Wollen wir anfangen?« Sie deutete in Richtung Konferenztisch. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Gerne. Schwarz, bitte.«
»Ich kümmere mich darum!«, bot Katia an und verschwand in der kleinen Küche, während Antonella und ihre Kundin Platz nahmen.
In der Regel liefen die Erstgespräche mit neuen Kunden immer ähnlich ab. Antonella klopfte die wichtigsten Eckdaten ab: privat oder geschäftlich, welches Budget, welcher Zeitraum, irgendwelche eigenen Vorstellungen und Ideen, etwaige No-gos? Dann präsentierte sie eine Mappe mit sogenannten Moodboards – Stimmungsbilder mit unterschiedlichen Stilistiken, Farben und Materialien. Und schließlich zeigte sie noch Fotoserien von abgeschlossenen Projekten. Währenddessen plauderte sie angeregt mit den Kunden, die oft eine ganze Menge von sich preisgaben. Meist hatte sie dann schon eine ziemlich präzise Vorstellung davon, in welche Richtung die Reise gehen würde. Diesmal war es jedoch ausgesprochen merkwürdig. Gesa Bergmann-Stanton erzählte zwar auch vieles – sie war Wirtschaftsanwältin, hatte fünf Jahre in Chicago gelebt und gearbeitet und wollte sich nun nach der Scheidung von ihrem amerikanischen Ehemann wieder in ihrer Heimatstadt Frankfurt niederlassen –, war aber komplett indifferent, was ihre geschmackliche Vorstellung anging. Lediglich, dass es von allem das Exklusivste sein sollte, konnte Antonella als greifbare Vorgabe festhalten, und dass die Wohnung repräsentativ und gleichzeitig gemütlich-familiär wirken sollte. Aha. Darüber hinaus hatte die neue Kundin auch noch die irritierende Angewohnheit, sie ungeniert auszufragen: Wo genau sie denn wohne, wie sie eingerichtet sei, ob sie weitere Kinder habe, einen Ehemann? Fragen, die die sonst so offenherzige Antonella nur sehr rudimentär beantwortete. »Vielleicht sollten wir uns das Objekt in den nächsten Tagen einmal gemeinsam ansehen?«, schlug sie nun vor. Wenn sie die Wohnung erst mal sah, bekäme sie vielleicht eine etwas genauere Vorstellung.
»Nun, ehrlich gesagt, gibt es noch gar kein Objekt«, antwortete Gesa, »aber ich habe um halb fünf einen Termin mit einer Maklerin, die mir drei Wohnungen im Westend zeigen möchte. Es wäre schön, wenn Sie mich bei der Besichtigung begleiten und beraten könnten.«
Antonella stöhnte innerlich auf – auch das noch –, sagte dann aber mit einem entschuldigenden Lächeln: »Ich fürchte, das wird schwierig werden, denn ich muss gleich meine Tochter von der Kita abholen. Grundsätzlich wäre es kein Problem, und wenn ich es vorher gewusst hätte, hätte ich es anders organisieren können …«
»Aber das macht doch nichts, die Kleine kann gerne mitkommen! Das ist sogar eine ausgesprochen gute Idee. Sie kann die Wohnungen gleich auf Kinderfreundlichkeit testen.« Die Anwältin schien begeistert zu sein.
»Es war mir nicht klar, dass die Wohnung auch kinderfreundlich sein soll«, sagte Antonella irritiert. »Haben Sie denn Kinder?«
»Nein, noch nicht. Aber ich liebe die putzigen kleinen Gesellen und denke, dass ich mir bald welche anschaffen werde.« Gesa strahlte.
»Schön …« Antonella runzelte leicht die Stirn. Gesa Bergmann-Stanton sah zwar großartig aus, war aber bestimmt schon Mitte vierzig. Doch andererseits war das nun wirklich nicht ihr Problem. »Dann treffen wir uns um halb fünf also wo?«
Die Kundin zückte ihren BlackBerry und suchte offenbar nach der Mail ihrer Maklerin. »In der Liebigstraße 32.«
»Ich werde da sein!«, versprach Antonella und stand auf.
»Mit Ihrer Tochter! Wie heißt sie eigentlich?«
»Mit Elisa also.«
»Wie schön! Übrigens, meine Freunde sagen Gesa zu mir, darf ich Sie Antonella nennen?« Sie waren an der Tür angekommen.
»Natürlich. Bis später also, Gesa!« Antonella arrangierte ein verbindliches Lächeln ins Gesicht und reichte ihrer extravaganten Kundin zum Abschied die Hand.
»Meine Fresse …« Sie schüttelte sich. Was war das denn bitte?
»Ich werde mir bald einen putzigen kleinen Gesellen anschaffen!«, äffte Katia lachend die
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