Mueller, Carin
gemeint. Sie hatte ihn sehr gerne und würde alles dafür geben, mit ihm befreundet zu bleiben. Und möglicherweise würde sie irgendwann in der Zukunft auch richtig mit ihm zusammen sein wollen, aber nur, wenn sie sich absolut sicher sein konnte. Sicher, was ihre eigenen Gefühle anging! Sie wollte nie wieder mehr oder weniger zufällig in eine Beziehung schlittern, nur weil es sich gerade anbot. War das denn so schwer zu verstehen? Scheinbar ja. Und Giovanni war ein unglaublicher Sturkopf – in diesem Punkt ähnelte er ihrem Vater, mit dem es auch wieder Ärger gab. Seit dem Münchenbesuch im September hatte sie regelmäßig mit ihren Eltern telefoniert. Ihre Mutter, die offensichtlich überglücklich war, die verlorene Tochter wiedergefunden zu haben, war ziemlich schnell dazu übergegangen, Alltagsgeschichten auszutauschen und Normalität zu spielen. Das konnte Katia nicht ganz nachvollziehen, denn normal war nach der langjährigen Trennung ja eigentlich gar nichts, aber es war ihr immer noch lieber als die Reaktion ihres Vaters. Der konnte oder wollte nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern musste stattdessen unbedingt die Motive für ihr Verhalten ergründen. Darüber hinaus verlangte er sogar ernsthaft, dass sie jetzt gefälligst in den Schoß der Familie zurückzukehren habe. Schließlich hätte sie einiges gutzumachen. Noch immer fassungslos dachte sie an das letzte Gespräch mit ihm. Das war vorgestern gewesen, und eigentlich wollte sie nur kurz ankündigen, dass sie am kommenden Wochenende nach München kommen würde. Nach wenigen Augenblicken war er jedoch wieder an dem Punkt angelangt, dass sie doch bitte schön gleich komplett nach München ziehen sollte. Er hätte eine Zweizimmerwohnung in einer Parallelstraße für sie gefunden und arbeiten könnte sie doch in der Metzgerei. »Aber Papa, versteh doch, dass ich nicht in mein altes Leben aus Kindertagen zurückkehren will. Ich habe hier in Frankfurt eine Wohnung und eine Arbeit, die mir Spaß macht«, hatte sie zu ihm gesagt.
»Was willst du dann von uns?«, hatte er sie angeblafft.
»Kontakt zu euch und wieder ein stabiles Verhältnis aufbauen. Aber ich bin auch eine erwachsene Frau. Ich bin sechsunddreißig Jahre alt und muss endlich anfangen, mein eigenes Leben zu leben.«
»Und da haben wir keinen Platz?«
»Doch, natürlich habt ihr da Platz! Aber keine Zweizimmerwohnung in München-Giesing und auch nicht die Metzgerei!«
»Wenn das so ist, hättest du gar nicht mehr zurückkommen brauchen!« Mit diesen Worten hatte er aufgelegt. Sie war sich sicher, dass sie am Wochenende im persönlichen Gespräch alles würde klären können, doch zwei Stunden später hatte nochmals ihre Mutter angerufen und angedeutet, dass es besser wäre, wenn sie erst einmal nicht nach Hause käme. Der Vater würde sich einfach zu sehr aufregen, und sie habe Angst um sein Herz. »Dann gib ihm besser kein Viagra!«, hatte sie wütend und verletzt ins Telefon geschrien und damit wohl auch ihre Mutter nachhaltig vergrault. Ja, sie hatte im Moment wirklich einen Lauf, dachte sie bitter.
Immerhin hatten die polizeilichen Ermittlungen ergeben, dass Damianos tatsächlich ebenfalls im Wald gewesen war, als Pan Antonella überfallen hatte. Laut Adrian drohte ihm jetzt eine Anklage wegen Mittäterschaft und nicht nur wegen Anstiftung zu einer Straftat. Das hatte ihn wohl ziemlich beeindruckt – milde formuliert –, denn er hatte ihr und Antonella einen blumigen Entschuldigungsbrief geschrieben. Es sei alles ein Missverständnis gewesen und täte ihm fürchterlich leid und blablabla. Wenn er sich dadurch eine freundliche Zeugenaussage von ihr erhoffte, hatte er sich jedenfalls geschnitten, dachte sie. Denn das machte Hugo auch nicht wieder lebendig. Überhaupt ging ihr die ganze traurige Geschichte nicht aus dem Kopf, dass der arme Mops wegen einer Telefonnummer hatte sterben müssen. Unfassbar. Hätte sie bloß Damianos das blöde Halsband gegeben, als er es haben wollte. Antonella machte ihr zwar nach wie vor nicht die geringsten Vorwürfe, aber es war mehr als deutlich, dass ihre Freundin sehr unglücklich war.
Auf der Plusseite gab es momentan eigentlich nur zwei Punkte, dachte sie: Die Arbeit lief immer besser für sie – jetzt, wo gerade viele Weihnachtsfeiern auszustatten waren, konnte sie sich nach Herzenslust mit den tollsten Dekostoffen austoben. Und vor einer Woche hatte Olga ihr hoffentlich erfolgreiches Rendezvous mit dem Rheingauer Airedale-Rüden
Weitere Kostenlose Bücher