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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Spinnen
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wäre ihr nicht eine gewisse Pina Bausch zuvorgekommen. Dann waren die beiden ein Liebespaar geworden, vielleicht weil es in Neustadt keine Alternativen gab. Und sie könnten es auch jetzt noch sein, wären sie nicht kurz darauf während eines gemeinsamen Studienaufenthaltes in Indien spurlos verschwunden.
    Diese traurige Geschichte erfährt man als Fünftklässler des Kaminski-Graber-Moos-Gymnasiums in Neustadt, das auch ich zu besuchen die Freude habe. Später malen die Jungen im Kunstunterricht die Bilder von Kaminski nach, während die Mädchen Graber-Moos’sche Tänze einstudieren. Mich wunderte, dass es bislang nie Exkursionen in dieses Café gegeben hatte; vielleicht sparte man sich das als Attraktion für die Abiturienten auf.
    Ich sah mich um und war ein wenig gerührt. Immerhin war ja nicht ganz unwahrscheinlich, dass auch ich einmal ein großer Sohn unserer kleinen Stadt werden könnte – wenn auch nur als das erste Kind, von dem sich seine Eltern haben scheiden lassen. Womöglich würde man hier eine Tafel anbringen lassen, die an mich erinnerte.
    Tante Elke riss mich aus meinen Gedanken. »Du schuldest mir noch eine Antwort. Wer ist deine reizende Begleitung?«

Die Müller-Drillinge
    I ch versuchte es mit einer Flucht nach vorne. »Du musst sie eigentlich kennen. Das ist Paula. Wir waren bei der Geburt am Oberarm zusammengewachsen und hätten beinahe als die Müller-Balalaika-Zwillinge Karriere gemacht.«
    »Balaclava«, sagte Paula und rettete sich damit vor dem Erstickungstod.
    Tante Elke kniff die Augen zusammen. »Was soll denn dieser Quatsch?«
    Ich war ihr wirklich dankbar. Endlich jemand, der Miene machte, mich ein wenig aus dem Albtraum zu befreien, in den ich geraten war. Gute Tante Elke! Und plötzlich sah ich vor meinem geistigen Auge einen Entwurf meiner Zukunft: Ich zog bei Tante Elke ein, spielte den Führer für die Besucher der Kaminski-Graber-Moos-Gedenkstätte und führte ansonsten ein ebenso Hunde- wie Zwillingsschwester-freies Leben.
    »Du hattest keine siamesische Schwester«, sagte Tante Elke.
    Ich hatte schon bei ihrem vorletzten Satz mit einem eifrigen Nicken angefangen und machte jetzt einfach damit weiter. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Wackel-Dackel auf der Hutablage eines älteren Opels.
    »Jetzt, wo deine Mutter über alle Berge zu sein scheint, kann ich dich ja vielleicht aufklären.« Tante Elke verschränkte die Arme vor der Brust. »Ihr wart nicht zu zweit, sondern zu dritt. Du und zwei Mädchen. Deine Mutter hat euch nach der Geburt etwa drei Minuten lang angeschaut und sich dann entschieden geweigert. Das war nicht nett, aber ich hab’s verstanden. Erstens saht ihre alle drei ziemlich verknautscht aus, zweitens waren deine Eltern damals blutjung und drittens so arm, dass sie kurz vor Monatsende regelmäßig mit dem Hungertod kämpften. Ich habe es dann immerhin geschafft, deine Mutter zu wenigstens einem Kind zu überreden. Dein Vater hat gewürfelt, und du warst der Glückliche.« Sie zog die Stirn kraus. Dann lachte sie. »Oder, nach Lage der Dinge, der Unglückliche.«
    Mir drehte sich der Kopf. Oder es drehte sich mir im Kopf. Oder es drehte sich alles im oder um meinen Kopf. Egal, ich wollte es auch gar nicht so genau wissen. Gerne hätte ich wenigstens mit dem Nicken aufgehört, aber das klappte auch nicht. Demnächst würde mir Filz auf dem Rücken wachsen, und statt der Halswirbel bekäme ich eine Spiralfeder.
    Tante Elke zeigte sich ungerührt von meiner Verfassung. »Später haben deine Eltern bereut, dass sie zwei Drittel ihrer Nachkommenschaft zur Adoption freigegeben haben. Aber bei eurer Geburt sah es ja nicht so aus, als würden sie einmal zu Geld kommen. Von heute her betrachtet, hätten sie locker sechs von deiner Sorte durchbringen können.«
    Ich dachte daran, wofür meine Eltern momentan wahrscheinlich ihr Geld ausgaben: tropische Cocktails, bequeme Liegestühle am weißen Sandstrand der Karibik und Zehngängemenüs in Viersternerestaurants.
    »Du meinst also«, sagte ich, immer noch wie bescheuert vor mich hin nickend, »meine Eltern haben zuerst nicht einmal mich gewollt, und später habe ich ihnen ein schlechtes Gewissen gemacht, weil sie uns nicht alle drei gewollt haben?«
    Tante Elke überlegte kurz, dann nickte sie auch. »Ich kann zwar nicht glauben, dass sie dich wirklich verlassen haben. Aber wenn sie es getan haben, dann vielleicht ja aus diesem Grund.«
    Ich probierte eine dramatische Geste. »Was für ein Schicksal! Ich bin

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