Mueller hoch Drei
secret. Checkst du? Hab die Bullen am Hals.« Dabei schaute ich mich um wie die Aushilfsindianer bei den Karl-May-Festspielen, wenn sie Spähen spielen.
»Fett«, sagte der Junge. »Und zu wem willste?«
»Hochschmidt«, zischte ich zwischen den Zähnen und bemerkte dabei, wie schlecht sich der Name zischen ließ.
»Zu Bruno?«
Richtig, so hieß laut Paula dieser Hochschmidt mit Vornamen. »Mann, Klappe!«, rief ich. »Muss doch nicht ganz Berlin spitzkriegen!«
Man sah, dass es dem Jungen leidtat, mich beinahe verpetzt zu haben. Macht man ja auch nicht unter Kumpeln. »Okay«, sagte er. »Ich kann dir zeigen, wie du zu Bruno kommst. Äj, und was krieg ich dafür?«
Ich wollte schon zu meinem Portemonnaie greifen, um ihm zu zeigen, wie leer es war. Doch da spürte ich, wie mir etwas Keckes vom Magen in den Kopf stieg. Das musste an der Berliner Luft liegen. Ich deutete auf Piet Montag am anderen Ende der Leine und machte eine schwerwiegende Handbewegung. »Ich bin blank«, sagte ich zerknirscht, »aber ich brauch die Info. Ist lebenswichtig für mich. Du kriegst dafür den Hund.«
Der große Junge zog seine Stirn in Falten. Einen Moment lag dachte ich, er würde den Hund einfach nehmen, aber dann sagte er doch den Satz, den ich erwartet hatte: »Was issen das für einer, is der wertvoll?«
Ich atmete auf. »Klar. Das ist ein Fastkillretriever. Darf neuerdings nicht mehr gezüchtet werden. Von zehn Leuten, die so einen haben, überleben höchstens fünf.« Ich tätschelte Piet Montag den Kopf. »Der hier ist besonders menschenfeindlich.« Ich stellte meine Stimme auf weinerlich. »Der beißt praktisch jeden. Von dem trenne ich mich gar nicht gern.« Und damit drückte ich dem Jungen mein Ende der Hundeleine in die Hand.
Das heißt, ich versuchte es.
Aber er nahm es nicht. »Schon gut, schon gut. Muss doch nicht sein. Mache ich doch gerne«, sagte er stattdessen in einer Art Panik-Hochdeutsch, während er seine Hände auf dem Rücken versteckte. Das könne er nun wirklich nicht annehmen. Dann redete er noch etwas von »Kumpel in Not« und deutete dabei mit dem Kinn auf das Vorderhaus, wo ich eben vergeblich gesucht hatte. »Da wohnt der Bruno. Vierter Stock. Rechte Tür.« Und dann lief er davon, so schnell, dass es nun wirklich nicht mehr lässig aussah.
Ich wartete ein wenig, dann stieg ich hinauf in den vierten Stock, vorbei an Kinderwagen, Birkenfeigen, einem pensionierten oder scheintoten Rennrad und ganzen Regimentern von schief getretenen Turnschuhen. Hinter mir Piet Montag, der interessiert dreinblickte; offenbar hatte er wieder etwas Fressbares entdeckt. Ich nahm ihn kürzer an die Leine.
Oben angekommen, war ich irritiert. Während drei Türen des vierten Stocks Namensschilder und Macken aus hundert Jahren trugen, war die vierte, die rechte, schild- und makellos, dazu frisch lackiert. Sollte hier ein Detektiv wohnen? Ich drückte einen blank geputzten Messingknopf, und es klang, als würde sich in der Wohnung eine Klingel von der Wand reißen. Piet Montag hob den Kopf und jaulte.
Anschließend geschah eine Zeit lang nichts. Dann öffneten sich sehr langsam die anderen drei Türen jeweils einen Spaltbreit, in dem, eines über dem anderen, mehrere Augenpaare sichtbar wurden. Ich versuchte mich unauffällig zu verhalten, indem ich den Anfang eines alten Volksliedes pfiff, das meine Mutter immer so gemocht hatte: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin«.
Eine nach der anderen schlossen sich die drei Türen. Dafür öffnete sich die vierte mit einem plötzlichen Schwung. Ich fühlte mich an der Schulter gepackt und mitsamt der Leine und dem Hund ins Innere der Wohnung gezogen. Dabei stolperte ich und fiel in ein Nichts mit Holzboden.
Bruno Hochschmidt
H ier drinnen war es stockdunkel. Ich hörte, wie ein Riegel vorgeschoben wurde. Prompt fühlte ich mich wie in einem dieser Gefängnisfilme, die aus guten Gründen erst ab sechzehn freigegeben sind. Etwas Warmes und Fellbesetztes drückte sich an mich, das ich als Piet Montag identifizierte. Hatte der etwa Angst und suchte ausgerechnet Schutz bei mir? Bevor ich darüber nachdenken konnte, gab es ein paar knackende Geräusche und das Licht ging an.
»Willkommen«, sagte der Mann, der sich über uns beugte. Und: »Gestatten, mein Name ist Hochschmidt.« Er reichte mir die Hand und zog mich auf die Füße. »Sorry! Aber immer wenn es klingelt, fliegt die Sicherung raus.« Dann bat er mich mit einer lustig vornehmen
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