Mueller hoch Drei
Schalter und machte in allen Zimmern Licht.
Wir sahen uns um. Die Wohnung schien mir unverändert. Alle Möbel waren noch an ihren Plätzen, die Pflanzen noch auf den Fensterbrettern und die Bilder noch an den Wänden. Eigentlich fehlte nur einer: Bruno Hochschmidt.
»Na toll!« Paula setzte sich mitten im Flur auf den Boden.
Pauline inspizierte das Schlafzimmer. Dort war das große Doppelbett frisch bezogen.
Mir kam ein Gedanke. Auch die Küche schien eben erst verlassen. Der Kühlschrank hing noch am Strom; ich öffnete ihn, und siehe da: Er war gut genug gefüllt, um uns vier über die nächsten Stunden zu bringen. Es war sogar Milchreis darin, wenngleich eine Sorte, die ich nur in Notfällen esse. Ich teilte es den Mädchen mit.
»Wisst ihr, was ich glaube? Hochschmidt hat uns erwartet.«
»Sonst noch was?«, sagte Paula.
Ja, richtig, da war noch was. Ich ging ins Arbeitszimmer. Auch der PC war noch da, und die nächsten Minuten verbrachte ich damit, ihm zuzusehen, wie er sich gemächlich hochschaukelte. Doch wie jetzt weiter? Mit meinem Computerlatein war es ja nicht so weit her, dass ich diese Monstermaschine hätte bedienen können.
Doch da hatte sich Pauline schon an mir vorbeigedrängt. »Du suchst eine Nachricht?«
Genau das tat sie dann selbst. Aber nach ein paar Minuten zuckte sie die Achseln. »Der Kasten hier ist mausetot. Dem haben sie sogar die Festplatte rausgeschnitten. Der kann höchstens noch das kleine Einmaleins.«
»Such bitte weiter.« Ich konnte nicht glauben, dass Hochschmidt uns so wortlos verlassen hatte.
»Nix«, sagte Pauline. »Nix und wieder nix.«
Ich sah mich in dem Zimmer um. Und was mir eben entgangen war: Das Foto, das einen erwachsenen Piet Montag, Pardon, einen erwachsenen Pablo zeigte, hing als einziges ein wenig schief an der Wand. »Da«, sagte ich.
Inzwischen war Paula wieder zu uns gestoßen. Sie lupfte das Bild an, und ein Brief fiel zu Boden. Sie öffnete ihn und las: Hallo, ihr drei Müllers. Sorry, ich musste abhauen. Sie haben den Weg zurück zum PC meines Vormieters gefunden. Da half nur noch die Flucht. Aber ich war es sowieso leid, allwissend zu sein. Da kommt man sich vor wie der liebe Gott und ist in Wahrheit ein armes Würstchen in einer Wüste aus Bits und Pixeln. Passt gut auf euch auf! Und wünscht mir Glück.
»Oje«, sagte Pauline. Paula nickte nur, und unser Pablo hatte sogar etwas feuchte Augen bekommen. Vielleicht war für ihn der Verlust tatsächlich am schwersten. Immerhin hatte Hochschmidt ihn gewissermaßen vom Saulus zum Paulus gemacht.
Kurz darauf saßen wir zu einem kleinen Nachtmahl in der Küche versammelt. »Oh, Milchreis!«, hatte Pauline begeistert gerufen, als der Inhalt des Kühlschranks auf den Tisch gekommen war. »Und sogar meine Lieblingsmarke!« Ich war ziemlich verblüfft, aber dann hatte ich ihr auch meine Ration überlassen. Mir stand der Sinn sowieso mal wieder nicht nach fester Nahrung, also knabberte ich bloß an meinem Multivitaminsaft.
»Wir haben was vergessen«, sagte plötzlich Paula, die durch den Verzehr dick belegter Brote rasch wieder zu Kräften kam. »Beziehungsweise jemanden: nämlich unsere Tante Elke. Eigentlich wäre die als Stiefadoptivmutter doch ideal.« Sie zählte es auf: Tante Elke war im richtigen Alter, sie hatte einen anständigen Beruf, und sie machte einen patenten Eindruck.
»Nicht doch!« Ich klärte die unwissende Pauline auf. Tante Elke war nicht einmal unsere Tante, sondern bloß eine Cousine unserer Mutter. Außerdem musste sie wegen einer sogenannten Multiplen Aversion in einem Gedächtniscafé leben und regelmäßig heilatmen. Also nichts für uns. Denn wer gegen alles Mögliche aversorisch war, der würde sicher auch eine ausgeprägte Drillingsaversion haben. Und selbst wenn Tante Elke uns vertrüge – einen Hund würde sie auf keinen Fall ertragen. Der würde sie in einen Tod durch Dauerniesen treiben. Dass der gewesene Piet Montag dafür schon den Beweis erbracht hatte, durfte ich natürlich vor Pauline nicht erwähnen.
»Aber nett war sie«, sagte Paula trotzig. »Für die paar Jahre, die wir noch brauchen, bis wir auf eigenen Beinen stehen, käme sie als Mutterersatz in Frage. Vielleicht gibt’s da eine Lösung für das Hundeproblem.«
»Ich trenne mich nicht von Pablo.« Pauline saß kerzengerade. »Nie und nimmer!«
»Aber man kann doch mal laut nachdenken.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte ich schnell. »Piet – äh – Pablo ist der Schutzhund der
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