Mueller hoch Drei
jetzt die Bären und die Hamster schrien, als würden sie allesamt bei lebendigem Leibe in etwas verwandelt, mit dem Fred, Su und Issi einen Kochwettbewerb gewinnen wollten. Die Polizistin telefonierte sich derweil ein Einsatzkommando und ein paar Rettungswagen zusammen.
Ich machte Pauline ein Zeichen, und zu unser beider Erstaunen schafften wir es unbemerkt hinter den Polizisten vorbei und durch die offene Wohnungstür ins Treppenhaus. Ich raste die Treppen hinunter, Pauline hinterher. »Wir können sie doch nicht im Stich lassen!«, rief sie, aber ich hatte jetzt eine Ahnung, und die trog mich nicht.
Tatsächlich stand Paula mit vor der Brust verschränkten Armen im Toreingang. Sie hatte ihren und meinen Rucksack geschultert, und aus ihrem sah mich die Lateindompteuse mit einem äußerst herablassenden Grinsen an. »Kommt ihr auch schon?«, sagte ihre Herrin. »Wird auch langsam Zeit.«
»Aber du bist doch auf dem Klo.« Offenbar übersah Pauline die etwas fragwürdige Logik.
»Das war nicht das Klo, sondern die Dienstbotentreppe, du Eichhörnchen. So was hatten die Herrschaften damals. Führt direktemang in den Hinterhof. Und jetzt nimm die Füße in die Hand!« Und bevor ihre Schwester etwas einwerfen konnte, zog sie sie mit sich. Ich wusste schon, wohin.
Eine Viertelstunde später saßen wir, noch immer ziemlich atemlos, vor Bolles Grab auf dem alten Friedhof. Mit dem bisschen Luft, das wir allmählich wieder kriegten, versuchten Paula und ich Pauline zu beruhigen. Unser Pablo, das heißt ihr Pablo, würde schon wieder auftauchen.
»Aber er ist doch so jung.« Pauline schniefte einmal. »Jung und unerfahren, vollkommen lebensuntüchtig und angewiesen auf andere Menschen. Praktisch genau wie wir.«
Paula und ich widersprachen ihr nach Kräften. Innerlich aber zählten wir die Sekunden. Wir waren bei 782, da kam er um die Ecke: Pablo, der naive Junghund, der gerade die Berliner Polizei mit seinen Hörspielkünsten an der Nase herumgeführt hatte. Und er kam nicht alleine. Er hatte ein Papier mitgebracht, das er uns vor die Füße warf, bevor er Pauline auf den Schoß sprang, um ihr auf seine Hundeart mitzuteilen, wo genau er jetzt ein schlimmes Wehweh hatte, das nur sie ihm wieder wegstreicheln konnte.
Paula hob das Papier auf. Ich sah ihr über die Schulter. Es war so etwas wie ein Fahndungsauftrag, doch er bezog sich nicht auf einen Bruno Hochschmidt, sondern auf einen gewissen Fritzkarl Reinebecher, von Beruf Gärtner. Mit anderen Worten: Die Polizisten waren gar nicht hinter Hochschmidt her, sondern hinter seinem Vormieter, dem Freund des Superhackers.
Paula faltete das Papier zusammen. »Wenn mich mein Kriminalverstand nicht täuscht, dann ist Hochschmidt gar nicht in Gefahr.«
»Aber er glaubt es und ist auf der Flucht.«
»Hmhm«, machte Pauline. Genaueres war nicht zu verstehen, weil sie gerade ihre Nase tief in Pablos Fell drückte. Vielleicht war auch das eine Art von Heilatmen. So verschieden geht es im menschlichen Leben zu: Die einen müssen ersticken, wenn ein Hund in der Nähe ist, die anderen tröstet es, an einem zu schnuppern.
»Wir sollten ihn suchen«, sagte ich. »Er müsste Bescheid wissen, dann könnte er wieder ein ruhiges Leben führen.«
»Sollte, müsste, könnte.«
»Wir verdanken ihm viel.«
»Wir verdanken ihm uns«, sagte Pauline durch das Fell. Allmählich wuchs sie doch in die Rolle der großen Schwester hinein.
»Und wie wollt ihr das anstellen?« Paula kramte in ihrem Rucksack. »Der Mann ist doch über alle Berge.«
Damit hatte sie recht. Und zugleich auch nicht. Denn »Berge« brachte mich auf einen Gedanken. Ich knuffte Paulas Arm. »Ich hab’s! Die Seite im Internet. Ferien auf dem Bauernhof in den Bergen. Das ist es!«
»Mach mal halblang.« Paula sah auf und tippte sich an die Stirn. »Der Typ ist auf der Flucht. Ich glaube nicht, dass der jetzt an Ferien bei Kuh und Kälbchen denkt.«
»Unsinn!« Ich war aufgesprungen. Hoffentlich würde der alte Bolle mein Benehmen nicht als Ruhestörung auffassen. »Erinner dich doch! Ferien auf dem Bauernhof. Der Name Hochschmidt ist nicht so häufig. Und mir hat er erzählt, dass er auf einem Bauernhof gelernt hat, Tiere zu trainieren. Ich wette, er ist zu seinen Eltern gefahren.«
»Jaja.« Pauline nahm die Nase aus dem Pablofell. »Es soll Menschen geben, die das tun, wenn es ihnen schlecht geht.«
Paula schien immer noch nicht überzeugt. Aus ihrem Rucksack zog sie die Dompteuse, deren Bienenkorbfrisur bei
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