Mueller hoch Drei
Müller-Drillinge. Ohne ihn haben wir keine Chance.« Und dabei machte ich Paula Zeichen, die ich für einigermaßen unauffällig hielt. Doch das war ein Irrtum.
»Du hast da was im Gesicht«, sagte Pauline.
»Was denn?«
»Einen komischen Ausdruck. Schüttel dich mal, dann geht er wieder weg.«
Ich tat wie gewünscht.
Es war schon nach zwei Uhr, als wir uns endlich zur Nachtruhe begaben. Die Mädchen schliefen natürlich im Doppelbett, ich rollte mich auf der Couch im Wohnzimmer zusammen. Aber einschlafen konnte ich lange nicht. Ich dachte an Hochschmidt. Wo mochte er wohl sein? Ob er etwas finden könnte, was ihn glücklich machte? Wenigstens ein bisschen.
Und ich dachte an mich. Bald würde wahrscheinlich auch ich eine mehrfach zerrüttete Existenz sein. In früher Jugend durch die Herzlosigkeit der eigenen Eltern schwer traumatisiert und anschließend bei dem Versuch gescheitert, für seine zwei mittellosen Schwestern zu sorgen, würde Paul Müller für den Rest seines Lebens alles misslingen, was er anfasste.
Und wieder sah ich uns drei Müllers im Alter von dreißig Jahren. Doch jetzt sah das Bild ein wenig anders aus. Paula lebte in Patschulistan, war längst von ihrem Mann verstoßen worden und besaß nichts als eine handbetriebene Elefantenwäscherei, die kaum das Nötigste zum Leben abwarf. Pauline stand wieder am Bootssteg in Marseby und riss die Fahrkarten der Fährenpassagiere ab, während ich in einem Berliner Hinterhof wohnte, wo ich für einen Hungerlohn die Mülleimer der ganzen Straße schrubbte. Endlich schlief ich ein, und in dem Traum, den ich dann träumte, war alles noch sehr viel schlimmer.
Auf und davon
D er nächste Morgen kam früh. Plötzlich stand er in der Wohnung, war zu zweit, trug Uniform und sagte: »Aufstehen!«
Mich rüttelte die Frau aus dem Duo. Ich gehorchte, kurz darauf wurden auch Paula und Pauline aus dem Schlaf- ins Wohnzimmer getrieben. Von Pablo war nichts zu sehen.
»Wer seid ihr?«, sagte der vergleichsweise männliche Teil der Uniformierten.
»Elende Rumtreiber.« Paula gähnte. Die Lateindompteuse in der linken Hand, rieb sie sich mit der rechten die Augen. »Schmutzige und verlauste Straßenkinder, die gewissenlos in fremde Wohnungen eindringen und dort die Kühlschränke leer fressen.«
Es klang absolut überzeugend. Die Polizistin hob einen Zeigefinger und unterstrich damit ihre Autorität. »Das heißt, den Besitzer dieser Wohnung kennt ihr nicht?«
»Wir sind schmutzig, verlaust und gewissenlos. Aber wir sind nicht blöd. Abgesehen davon, dass wir keine Bekannten haben, steigen wir bei denen doch nicht ein.« Darauf kratzte Paula sich auf eine äußerst undamenhafte Art und Weise. Pauline neben ihr wurde puterrot und sah in eine andere Richtung.
»Oder glauben Sie«, fuhr Paula fort, ohne mit dem Kratzen aufzuhören, »wir hätten Lust darauf, noch mehr verprügelt zu werden, als das in unseren Kreisen sowieso schon üblich ist?«
»Okay«, sagte die Polizistin. »Habt ihr Ausweise dabei? Sonst lasse ich euch vom Jugendamt abholen.«
»Whuupie!« Mit einem Schlag war Paula hellwach. Sie hielt die Dompteuse an den Beinen und fuchtelte damit herum wie mit einem Schwert. »Geil! Jugendamt. Das liebe ich. Kommen wir dann vielleicht auch ins Kinderheim? Supi!« Sie steckte sich die Dompteuse in den Hosenbund und klatschte begeistert in die Hände. »Endlich wieder eine Nacht im Zwanzig-Betten-Horrorkabinett. Und endlich wieder das schöne Spiel: Wer gehört nicht in diesen Schlafsaal? Klasse! Andere Mädels ans Bett fesseln und zu Tode kitzeln. Oder ganz langsam mit dem Unterhemdchen strangulieren.« Sie hüpfte auf und ab. »Ich bin schon ganz nervös. Darf ich nur eben ins Klo, mir ein paar Zigaretten auf den Armen ausdrücken?« Und damit verschwand sie wie der Blitz im Flur. Dort schlug eine Tür.
Ich hatte die Szene offen gestanden ganz witzig gefunden, aber nicht im Traum hätte ich geglaubt, dass Paula uns tatsächlich aus den Fängen der Polizei befreien könnte. Doch was dann geschah, belehrte mich eines Besseren.
Es begann damit, dass Laute aus dem Flur drangen, die alles andere als menschlich waren. Es hörte sich an, als würde eine Horde Grizzlybären in einen Streichelzoo einfallen. Meine Fantasie malte mir Schreckensbilder blutigster Art, während Pauline aussah, als würde sie sich auf der Stelle in ein Denkmal ihrer selbst verwandeln.
In die Polizisten kam allerdings Bewegung. Der Mann versuchte die Tür zu öffnen, hinter der
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