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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Spinnen
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seltener Vorgang und für einen Verhaltensforscher wie mich besonders interessant zu beobachten. So etwas deutet meistens darauf hin, dass die Mutter ihr Kind für schwachsinnig und lebensuntauglich hält.«
    Die Bauersfrau kratzte sich am Kopf.
    Hochschmidt schaute auf die Uhr. »Schade, schade. Wenn der Verkehr hier etwas dichter wäre, könnte ich noch beobachten, wie die Mutter darauf reagiert, wenn ihr Kind überfahren wird. Aber ich fürchte, so viel Zeit habe ich nicht.« Er deutete einen Gruß an und drehte sich auf dem Absatz um.
    Mit ein paar Schritten war die rundliche Frau an ihm vorbei auf der Straße, wo sie den schmutzigen schwarzen Hund vom Boden nahm und in Sicherheit brachte. Mit bloßen Fingern kratzte sie ihm den ärgsten Dreck aus dem Fell. Derweil schlenderten wir gelassen zu unserem Lieferwagen.
    »Warten Sie!«, rief die Bauersfrau. »Warten Sie! Ich hab mich geirrt! Dieser hier soll zufällig doch verkauft werden.« Und dabei schwenkte sie, kräftig, wie sie war, den verdatterten Hund über dem Kopf wie ein Fan im Fußballstadion seinen Vereinsschal schwenkt.
    Ich konnte Hochschmidt die Versuchung ansehen, die Situation noch weiter auszukosten. Aber wir hatten ja wirklich wenig Zeit, und deshalb feilschte er nicht einmal um den Preis. Vielleicht hatte er ja auch ein schlechtes Gewissen. Während er zahlte, trug ich den Hund in den Lieferwagen. Im Laderaum legte ich ihn auf eine Decke. Dort drehte er sich wohlig auf den Rücken, streckte mir seinen Bauch entgegen und sah mich über hochgerutschten Lefzen an. Er war schwarz und goldig und sah aus wie Pablo. Aber er war einwandfrei blöd. Und er roch sehr schlecht.
    »Glückwunsch«, sagte ich, als Hochschmidt auf den Fahrersitz kletterte. »Aber eine Frage müssen Sie mir beantworten. Was haben Sie der Hundemutter gesagt?«
    Hochschmidt startete den Wagen, und ruckelnd fuhren wir los. »Was man Müttern in solchen Situationen immer verspricht: dass man ihre Kinder nach Hollywood bringt.« Er lachte schallend.
    Ich wollte, ich hätte seinen Humor besessen. »Aber der hier ist nicht wie Pablo!« Ich kraulte unserem Neuling den Bauch, worauf er wie eine Katze zu schnurren begann. »Der ist lieb, aber dem werden Sie nicht mal beibringen können, einigermaßen unfallfrei geradeaus zu laufen. Jedenfalls nicht in der kurzen Zeit, die uns bleibt.«
    Hochschmidt kurbelte zwecks Frischluftzufuhr das Seitenfenster herunter. »Kleine Weisheit gefällig? Mit dem Tiertraining ist es ähnlich wie mit dem Menschentraining. Man bringt den Tieren nur bei, was sowieso schon in ihnen steckt. Das Geheimnis ist, herauszukriegen, was das ist.«
    Ich versuchte, dem Hund in die Augen zu sehen. Aber ich konnte da nichts erkennen, das uns weitergeholfen hätte.
    »Außerdem«, sagte Hochschmidt, »solltest du Bruno zu mir sagen. Immerhin sind wir jetzt Komplizen.«
    Kurze Zeit später hielten wir auf dem Rastplatz, von dem aus wir unserem Verfolger entkommen waren. Ich musste im Wagen bleiben, während Hochschmidt, also neuerdings: Bruno, draußen mit unserem Neuen übte. Zwischendurch setzte er sich zwei-, dreimal zu mir, schloss die Augen und atmete tief durch. Zum Stand der Dinge wollte er sich aber nicht äußern. Offenbar war unser Neuer selbst für ihn eine echte Herausforderung. Nach einer Stunde fuhr er auf die Autobahn. Auch jetzt, da wir mit unserem Tempo wieder die Laster ärgerten, blieb er schweigsam.
    Seinen Plan konnte ich allerdings ahnen. Wahrscheinlich würde der Mann mit den unordentlichen Zähnen irgendwo am Straßenrand auf uns warten. Genauso war es auch. Schon nach ein paar Kilometern sah ich den Straßenkreuzer mit blinkenden Warnleuchten auf dem Standstreifen stehen. Kaum waren wir daran vorbei, klemmte der Mann sich wieder an unsere Stoßstange. Durch das Bullaugenfenster konnte ich in seiner Miene lesen, dass er sich nicht noch einmal würde abhängen lassen.
    »Es wird ernst«, sagte Bruno. Wir bummelten noch ein wenig weiter, dann simulierte er einen Motordefekt. Zuerst beschleunigte er, dann wurde er noch langsamer als langsam. Er provozierte ein paar Fehlzündungen, die schwarzen, öligen Rauch aus dem Auspuff trieben. Endlich fuhr er auf den nächsten Rastplatz. Der Mann folgte uns im denkbar kleinstmöglichen Abstand, dann parkte er so dicht vor uns, dass wir hätten rangieren müssen, um weiterfahren zu können. Er glitt durch die Fahrertür und baute sich vor dem Lieferwagen auf.
    Bruno stieg aus. »’tschuldigung. Kann ich bitte mal

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