Mueller und die Schweinerei
sieht man an den Möbeln, die da stehen, und an Hauensteins dicker Armbanduhr.
Der Müller setzt sich auf einen Eames-Stuhl. Ausführung mit Rinderfell.
Hauenstein frontal dazu hinter seinen Duteuil-Dutronc-Mahagonitisch, einst im Einsatz in der französischen Botschaft im zentralafrikanischen Kaiserreich.
Zwei Sekunden hört man nur den Schweiss tropfen. Kühlkettenpartner, denkt der Müller und sagt: »Was haben Sie gegen Biofleisch?«
Hauenstein, Stirnrunzeln, greift in eine Schublade, reicht dem Müller zusammengeheftete A4-Blätter, sechs, sieben mindestens: »Die Mitgliederliste unseres Verbands. Schauen Sie auf Seite fünf.«
Macht der Müller. Sieht: Porcobio, BioBoeuf Switzerland, Bio Porco Suisse, SuperBioViando, Knospenkalb, Sanoporco, Sanovitello, Bio Boucheries Réunies de la Suisse Romande … ganze Reihe gesunde Wörter.
»Alle Bios sind bei uns«, sagt Hauenstein und wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn, »die grünen Bios, die liberalgrünen, die christlichdemokratischen, die heimatverbundenen Bios, die Bio-Verbände der Schweinezüchter und -mäster, die der Kalbfleischbranche, die Schafs- und Ziegenfleischerzeuger, obwohl die mit Käse und Wolle beziehungsweise Leder mehr Umsatz generieren. Ja, die Biologischen sind alle Mitglied bei uns.«
Und lässt die Wörter wirken.
Sie tun es.
»Für Biofleisch«, lehrt nun Hauenstein und legt seine Krawatte auf den Tisch, »bekommen Sie als Produzent den Preis, den wir für alle Fleischproduzenten erzielen wollen. Aber die Konsumentenlobby im Parlament …«
Sein Blutdruck steigt schlagartig: »Die Bios sind für unseren Verband kein Problem, sie sind Mitglied bei uns. Mehr Sorgen machen uns die in den Medien aufgebauschten Tierkrankheiten. Beim Stichwort ›Schwein‹ denkt heute ja jeder an die Schweinegrippe. Bei Hühnern an Vogelgrippe. Beim Rind an den Rinderwahnsinn. Beim Pferd an die Pferdepest. Und überall schleichen Salmonellen und Steroide herum. Man würde denken, die Fleischfressende Industrie sitzt permanent auf der Anklagebank, weil sie die ganze Welt vergiften will.«
Er hebt den Zeigefinger: »In Wirklichkeit versorgen wir die Menschheit mit hochwertigen Proteinen, tierischen Fettsäuren und Mineralien. Unser Feind ist der Hunger der Menschen auf der Welt.«
Da seufzt er wieder, bricht ab und schaut den Müller genau an: »Sie sind nicht zufällig auch so ein militanter Konsument und Bauernhasser?«
»Ich bin Polizist«, sagt der Müller, was bis im Mai gestimmt hat.
»Wer könnte es auf einen Biobauern mit Bioschweinen oder auf ein Biorestaurant abgesehen haben?«, fragt jetzt der Müller.
Hauenstein will mehr wissen, weiss nichts, der Müller erzählt in groben Zügen. Sagt: »Gift im Schweineeimer eines Biorestaurants sorgte für Todesfälle unter den Schweinen eines Biobauern. Im Aargau.«
Jetzt sieht Hauenstein wirklich aus wie der erwähnte deutsche Altkanzler, fleischig und schlaff, weil ihn die Todesnachricht von Schweinen im Inneren zu treffen scheint. Schaut flehend zum kreisförmig-stimmgabelähnlichen Kühlsystem mit den Kaltluftdüsen und schluckt leer.
»Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
Der Müller, er bleibt dran: »Sie setzen nicht zufällig eine Kampagne um, um die Bioverwertungskette« – jetzt schwatze ich auch schon so, denkt der Müller – »zu schädigen zugunsten der konventionellen Fleischproduzenten?«
Hauenstein muss lachen. Laut und lange. Bis die Bürotür aufgeht und der Kopf einer Mitarbeiterin erscheint: »Alles in Ordnung, Herr Hauenstein?«
»Ja, ja«, prustet Hauenstein, obwohl knallrot angelaufen, »Herr Müller hat mir gerade eine lustige Geschichte erzählt.« Schnappt nach Luft und sagt zum besorgten Gesicht an der Tür: »Wirklich alles in Ordnung, machen Sie sich keine Sorgen.«
Hauenstein noch immer ausser Atem, ringt nach Luft, deutet auf die Tür, die wieder geschlossen ist: »Ich hatte vor vier Monaten einen Herzinfarkt, und jetzt kümmern sich meine Mitarbeiter rührend um mich. Manchmal essen wir zusammen Schnitzel –« Und da verliert er wieder die Fassung und lacht und lacht und lacht. Der Müller faltet jetzt das Dienstface in die Hosentasche und lässt sich anstecken, holt aber zur Sicherheit sein Handy hervor, weil vielleicht doch bald 144 nötig.
»Hahaha! Hahaha! Ha! Haha!«, schallt es durch das Direktionsbüro des »Verbandes der Fleischfressenden Industrie« an der Baslerstrasse in Altstetten, Kreis 9, Stadt Zürich. Und als
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