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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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warten, noch etwas warten und hört ein Geräusch in der Wohnung, jemand tappt herum, ein Rumpeln, es ruft halblaut »Aua«, Schritte schlurfen zur Tür, eine brüchige Stimme fragt: »Wer ist da?«
    »Müller«, sagt der Müller.
    Und obwohl Hauser sich in seinem Zustand vielleicht nicht mehr bewusst an diesen konkreten Müller erinnert, öffnet er sogleich die Tür, weil »Müller« ist schon ein Name, den man sich merken kann, anschaulich ist und Vertrauen weckt. Hauser, das ist unverkennbar, ist es elend. Der Kopf und die Augen und die Ohren und die Zunge staubtrocken wie alte Mostbröckli. Das Hirn wie ein Bienenstock, es ist ungut, alles sehr ungut.
    Sagt trotzdem: »Guten Tag.« Hat allerdings den Müller vermutlich nicht erkannt, wo ihn mit seinen Ermittlungen schon einmal gestreift hat. Damals Hintergrundgespräche mit dem Müller: Einschätzungen zu gewissen Personen im Musikgeschäft. Hatte mit jenem Fall nichts zu tun, nur Auskunftsperson. Wie dem wohl jetzt ist? Das fragt sich die ganze Leserschaft und ich mich auch, ferner natürlich der Müller. Darum ist er da.
    Hauser bittet den Müller in die Küche, sagt »Entschuldigen Sie mich bitte kurz«, verschwindet im Badezimmer. Man hört aber, nicht wie vermutet, ein Würgen und Kotzen, sondern Wasser laufen, in ein Glas. Ein Richtmikrofon würde das Brausen einer Tablette hören, darum heisst sie auch »Brausetablette«, weil Hauser eine Tablette im Wasser zerbrausen lässt und die Flüssigkeit darauf trinkt. Bald kommt er wieder, die Haare etwas geordneter, Wasser ins Gesicht geklatscht, etwas weniger blassfahl, doch noch immer fix und fertig.
    Und der Müller sagt: »Ihnen geht’s nicht so gut.«
    Und der Hauser: »Ich hab’s gerade etwas schwierig.«
    Ziemlich lakonisch und nicht abweisend, der Journalist, eher in der Bedeutung: »Danke, dass Sie es bemerkt haben, aber ich möchte nicht darüber reden, weil wir uns nicht kennen.« Das ist schon in Ordnung, wir lassen dem Müller auch sein Privatleben, ohne ihn jede Sekunde mit den Augen zu beobachten, weil sonst fängt er noch an überzuschnappen. Denn der Mensch will in Ruhe gelassen werden, aber wenn er nur seine Ruhe hat, ist das auch nicht gut. Hauser möchte zwar eigentlich jetzt gerade seine Ruhe haben, umgekehrt ist es ihm nicht unrecht, etwas Gesellschaft zu haben, weil es gibt Momente, wo keine Gesellschaft gar nicht gut ist, weil die Einsamkeit dann so an einem hochkriecht, bis sie grösser wird als alles andere, und das ist dann psychisch sehr bedenklich. Wer hat schon kein Messer oder Gewehr im Haushalt?
    Und der Müller also Reinigungsfunktion oder Ventil.
    Und: »Was führt Sie zu mir?«, fragt Hauser. Und nicht: »Wer sind Sie?«
    Das heisst: Er erinnert sich allmählich doch, vielleicht vage im U-Bewussten, aber immerhin, an den Müller.
    »Essen Sie gerne Safran?«, fragt der Müller ohne Umschweife. Er liebt die klassische Überraschungstaktik.
    »Safran?«, fragt Hauser zurück, nickt und drückt es in einem Wort aus: »Ja!«
    »Also sind Sie das«, sagt der Müller.
    »Bin ich was?«, fragt der Hauser. Würde mich auch interessieren, was einer meint, wenn er mich fragt, ob ich »das« bin.
    »Kennen Sie das Restaurant Sumatra?«, fragt der Müller.
    »Das an der Josefstrasse?«, fragt Hauser.
    Mit den Augen sagt der Müller Ja.
    »Das kenne ich. Ich esse öfter mal da.«
    »Zum Beispiel Safran?«
    »Wenn’s auf der Speisekarte Gerichte mit Safran gibt und ich gerade Lust darauf habe. Aber ich bin nicht darauf fixiert. Doch reden wir bitte nicht vom Essen jetzt«, sagt Hauser, der sichtbar wieder stärker erbleicht, nicht weil ihm der Müller so zusetzt, sondern wegen der Nachwirkungen des Alkoholteufels.
    »Einen Kräutertee? Ich mache Ihnen einen«, sagt Müller trotz der Tropenhitze, weil das wirklich das Beste für Hausers dehydrierten Körper ist. Die Polizei hilft den Menschen gerne. »Bleiben Sie sitzen«, steht der Müller auf und sucht einen Topf und setzt das erfrischend reine Zürcher Wasser auf den Gasherd. Sie wissen, wie man Kräutertee macht, so mit Beutelchen und Heisswasser, aber der Müller macht das wirklich gut, sie haben ja auch psychologische Schulung bei der Polizei.
    Die Gasflamme ist blau und wärmt das Teewasser. Dauert ein paar Minuten. Schweigen von beiden Männern.
    Der Pfefferminztee sorgt für eine gewisse Behaglichkeit in Hauser drin. Er trinkt langsam, kleine Schlucke, lässt ihn durch die lederne, trockene, von Bakterien umkämpfte Speiseröhre in

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