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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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ist Ihr Name?«, fragt sie, während des Müllers Röntgenblick auf ihrer petrolblauen Bluse, genauer: auf dem Namen »C. Büttikofer« kleben bleibt.
    C., denkt der Müller: Carmen? Carmela? Christina? Concepcion? Chastity? Claudia?
    Aber er sagt: »Nein und Müller Benedikt, Polizei Zürich.«
    Dazu schaut er treuherzig, weil beim Namen »Polizei« geschieht in vielen Menschen Ungeahntes. Nicht nur in Menschen unreinen Gewissens, sondern auch in sauberen Nichtdelinquenten wie Ihnen und mir. Du denkst sofort: Es ist etwas Schlimmes passiert, oder du hast bei der Steuererklärung geschlampt oder bist klausüchtig, ohne dass du es gemerkt hast. Auch wenn du der »Verband der Fleischfressenden Industrie« bist, ängstigst du dich vor der Polizei, weil sie vielleicht wieder einen Hormonskandal oder eine Futtermittelseuche oder eine Erregerinvasion entlarvt hat, was dich umsatzmässig völlig an die Wand klatscht. Was so etwas nach sich zieht, ist klar: Wie sage ich’s den Mitgliedverbänden? Wie diese ihren Mitgliedern und diese ihren Shareholdern? Wie der Öffentlichkeit? Den Stakeholdern? Wer wird nun noch Fleisch essen? »Polizei« = Ungemach. Dabei ist sie doch dafür da, das Schlimmste zu verhindern.
    C. Büttikofer hat unterdessen telefoniert und lächelt den Müller an: »Herr Hauenstein wird Sie gleich empfangen. Bitte nehmen Sie dort drüben Platz. Es wird einige Minuten dauern. Möchten Sie etwas trinken?«
    Und der Müller dankt und sagt »gerne einen Espresso … ohne Rähmli« und will, weil plötzlich sehr gut gelaunt, mit seinem Zeigefinger gegen das kleine Porzellansäuli schnippen, das auf dem Empfangskorpus steht. Aber sein Schnippen übertreibt vor Energie, die Schwerkraft übernimmt ihre Arbeit, und das Tierlein zerspringt auf dem hellen Boden aus poliertem Stein in tausend kleine Stücke.
    »Pardon«, sagt der Müller. Es ist ihm nicht recht. »Das wollte ich nicht.« Und: »Haben Sie einen Besen und eine Schaufel?« Was ihm C. Büttikofer widerstandslos und mit einem Lächeln reicht. Und der Müller geht in die Knie und kehrt die Keramiksplitter zusammen, und in dieser zum Sehen eher unvorteilhaften Position hört er hinter sich einen tiefen Bass:
    »Aber Herr Müller, lassen Sie das doch unser Personal tun.«
    Macht seinen Putz noch fertig, der Müller, dauert drei Sekunden, richtet sich auf, stellt Schaufel und Besen auf die Empfangstheke und lächelt C. Büttikofer zu. Dreht sich dann um.
    »Herr Hauenstein?«, und als der nickt: »Guten Morgen. Ich hätte einige Fragen. Routine.« Das sagt man immer, damit die Leute nicht gleich kopfscheu werden.
    »Gehen wir in mein Büro«, sagt Herr Hauenstein.
    In den Lift. Tür schliesst sich. Darin ein Fotoplakat: Schafe, Ziegen, Rinder, Schweine. Schinken, Würste, Charcuterie, Schnitzel, Koteletts, Entrecôtes, Rollschinken. Müller schaut darauf, dann auf Hauenstein. Ein Berg von Mann. Statur vergleichbar mit Captain America. Etwas kleiner. Und kein so affiges Kostüm natürlich.
    »Einen Hauenstein hätten Sie wohl eher bei den Steinmetzen erwartet, nicht? Und hier einen Fleischmann oder einen Schweingruber, nicht?«
    »Oder einen Schweinsteiger.« Trockene Anmerkung Müller.
    »Ha ha ha! Den muss ich mir merken!«, röhrt der Bass von Hauenstein.
    Der Müller verdirbt das Spiel: »Bitte, Herr Hauenstein, ich habe nur einige Fragen.«
    »Nun gut, ich bin eben manchmal etwas lustig«, sagt Hauenstein etwas leiser und wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sie sind im vierten Stock angekommen.
    Ein kalbfleischfarbener Teppich bekleidet den Fussboden des Korridors, von dem links und rechts Glastüren abgehen. Dahinter arbeiten Menschen. Hauenstein weist ihm den Weg zu einer Designertür aus gemasertem Kunststoff. Farbe zwischen Schinken und Salami, mit einem Touch Cervelat. Eher warme Farben. Dahinter unverhofft kühl.
    »Gesponsert von unserem offiziellen Kühlkettenpartner«, sagt Ruedi Hauenstein und zeigt auf eine Art kreisförmige Stimmgabel mit Kaltluftdüsen mitten im Zimmer, »da bleibt jede Schweinehälfte frisch.«
    Will wieder lachen und sich auf die Schenkel klopfen, aber der Müller macht völlig auf Spassverderber. Lächelt gezwungen und eine Sekunde zu lang.
    Hauenstein seufzt: »Setzen Sie sich bitte, Sie Trauerkloss.«
    Will wieder lachen, weil denkt an »Fleischkloss«, ist eine wahre Gagmaschine, könnte glatt zu einer Comedy-Show oder als Witzschreiber zum Farbfernsehen, aber Fleischgeschäft vermutlich einträglicher. Das

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