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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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den Magen rinnen. Füllt Tropfen für Tropfen den Hohlraum aus. Noch einen kleinen Schluck und noch einen. Der Müller kann zuschauen, wie das Leben sich langsam wieder in Hauser einnistet.
    Der Müller gnadenlos: »Und mögen Sie Bohnen?«
    »Bohnen?«, fragt Hauser. Erst Safran und jetzt Bohnen, das setzt sich allmählich zu einer Speisekarte zusammen.
    »Ja, auch Bohnen.«
    »Und Bohneneintopf?«
    »Ja, mag ich auch. Aber jetzt kann ich nicht ans Essen denken. Also, mein Magen –«
    Doch der Müller unerbittlich ein weiteres Kulinarikargument: »Und Schweine?«
    »Ich bin nicht Vegetarier, wenn Sie darauf hinauswollen«, sagt Hauser und trinkt die Tasse in einem Zug leer. Diese plötzliche Vehemenz in der Bewegung sagt dem Müller, dass in Hausers Kopf gerade etwas vorgegangen sein muss.
    »Warum fragen Sie?«, fragt Hauser. Denn der Mensch erfüllt sich meist mit Skepsis, wenn jemand (besonders die Polizei) Fragen stellt. Da fragt man sich: Warum fragt er das, was hat er im Hinterkopf, welchen Gedanken, habe ich etwas Falsches gesagt?
    Der Müller macht knappe Andeutungen, nur Basisinformationen, keine Einzelheiten, weil beim Ermitteln, da musst du haushälterisch mit den Infos umgehen, damit sich der Gegenüber in Widersprüche verwickeln kann, und dann hast du ihn am Schlafittchen. Falls er Täterwissen offenbart. Wenn nun also der Michael Hauser plötzlich: »Biologisches Restaurant Sumatra und Schweine und Bohneneintopf und ich weiss nichts von Vergiftung«, dann überfällig, klack klack, weil in Falle getappt, aber natürlich nichts da, weil so blöd ist das Verbrechen auch wieder nicht.
    Stattdessen der Hauser: »Ich gehöre nicht einer religiösen Minderheit an.«
    Das sagt er wegen des Tierworts »Schweine«.
    Der Müller ahnt den Stolperdraht, der ihm gespannt ist, wittert schon die Schlagzeilen und sagt sofort: »Oho! Ich habe nichts in diese Richtung gesagt. Und auch nicht gemeint.« Weil es gibt immer Leute, die der Polizei ankreiden, dass sie besonders hinter den Minderheiten her sei, was natürlich nicht eigentlich stimmt. Obwohl, wenn man’s genauer bedenkt, sind ja Schweinemörder, Taschendiebe, Bankräuber, Mörder, Kreditkartenbetrüger, Tierquäler, Drogenhändler, Heiratsschwindler zum Glück auch Minderheiten. Und kritisieren Sie jetzt nicht, ich hätte die weibliche Form nicht gebraucht – also: »Schweinemörderinnen, Taschendiebinnen, Bankräuberinnen, Mörderinnen, Kreditkartenbetrügerinnen, Tierquälerinnen, Drogenhändlerinnen, Heiratsschwindlerinnen«. Da haben Sie’s! – Jetzt aber Schluss mit der politischen Korrektness, denn es widerspricht der Kriminalstatistik. Ich meine, die Mädchen, Damen und Frauen haben schon auch das Recht, kriminell zu sein wie die Buben, Herren und Männer. Aber von Nahem betrachtet und genau genommen, hat eigentlich gar kein Mensch das Recht, kriminell zu sein. Dafür haben wir das Gesetz. Und wenn ich sage » das Gesetz«, ist das eine abstrakte Kategorie, weil wir haben viele Gesetze, weil die braucht es einfach, damit nicht Mord, Totschlag, Schweinemord, Kreditkartenbetrug, Tierquälerei, Drogenhandel und Heiratsschwindel à gogo.
    Aber Müller ist nicht einfach so Rechtspositivist und blinder Ausführer. Er fragt sich privat schon, was das alles soll, diese Paragrafen und Artikel des StGB, aber was will man machen, so ist es halt, die Regeln der menschlichen Koexistenz, da muss man durch. Da kannst du als Einzelner dich für noch so schlau halten, wenn du etwas Krummes machst, kommt es aus, und du wirst geschoren wie das Kalb beim Metzger.
    Aber Hauser ist nicht hereingefallen auf dem Müller seine Falltüren. Vielleicht war er’s ja nicht. Also Strategieänderung: »Was wissen Sie?«
    Im Gespräch stellt sich heraus, dass Hauser zur Zeit des Giftanschlags auf die siebenundzwanzig toten und die zwölf innerlich schwer verletzten und deshalb mit dem Bolzenschussgerät ins Hinüber beförderten biologischen Schweine gar nicht im Land war. Martinas Schlusssatz wollte er doch nicht so widerstandslos hinnehmen, nicht kampflos, deshalb war er nach England geflogen. Ohne Erfolg, wie wir schon wissen. Das Ausland verunmöglicht es, dass jemand gleichzeitig dort ist und gleichzeitig hier ein Gesetz bricht. Der Müller kommt sich jetzt schon etwas seltsam vor, weil er diese Hypothese hatte mit Safran und Dylanologe und Schweinevergifter. Doch wie sich aus der Affäre ziehen, um nicht ganz blöd auszusehen? Weil die lachen sich ja sicher krank über

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