Mueller und die Schweinerei
vielleicht erst um neun an. Das Showbusiness beginnt ja am Abend auch später. Genug gezögert. Wenn mich Manfred sehen könnte, denkt der Müller. Der ist besser in Englisch als ich. Der wäre nicht so aufgeregt.
Hebt den Hörer ab, wählt zuerst »001« für USA , dann die lange Nummer.
Horcht. Es klingelt. Fremdartig.
Noch länger. Klingelt es.
Er will schon auflegen, da sagt eine Frauenstimme: »4 JE , good morning. My name’s Marsha, what can I do for you?«
Das kam so schnell, so flüssig, so amerikanisch, da stottert der Müller zuerst, sagt einmal »äh«, bringt aber schliesslich den Satz heraus: »Hello, this is Müller Benedikt, Zurich Police, can I talk to Rupert ›Love‹ Cartwright?«
Und wie er den Satz fertig hat, denkt er, er hätte noch »please« dazusagen sollen. Das wäre höflicher, würde sich so gehören, aber jetzt ist es schon zu spät. Das nächste Mal macht der Staatsanwalt diesen Anruf, nicht ich, sagt sich der Müller.
Und Marsha, am anderen Ende der Satellitenleitung, in New York bei »4 JE « lacht, dass es dem Müller peinlich ist. Warum lacht sie? Das müssen wir jetzt auf Deutsch übersetzen, sonst wäre es dem Müller noch peinlicher.
»Habe ich etwas Lustiges gesagt?«, fragt der Müller nach New York.
»Entschuldigen mich, Sie können nicht zu Rupert ›Love‹ Cartwright sprechen.«
»Bitte sprechen Sie langsam. Ähm. Ich muss zu ihm sprechen, weil ich bin die Polizei in Zürich, Schweiz.«
»Ich glaube dir. Aber er ist nicht hier. Er ist nur hier, wenn er einen neuen Vertrag unterschreibt.« Marsha lacht wieder, stellt sich gerade vor, wie RLC jeden Morgen um acht ins Büro kommt, um Lieder zu komponieren, Texte zu schreiben und einen Stapel Autogrammkarten zu signieren.
»Aber ich habe zu ihm zu sprechen«, sagt der Müller, »Polizeifragen.«
Kurzes Nachdenken in New York.
»Ich verbinde Sie mit Herrn Trevor. Er ist der Assistent von Herrn Johnson. Halten Sie an.«
»Ja, ich werde«, sagt der Müller und vergisst in der Aufregung »thank you« zu sagen. Aber innerlich ein wenig stolz: Es geht ja nicht so schlecht mit dem Amerikanisch. Manchmal knistert der Satellit ein bisschen, das Unterwasserkabel rauscht, und das Echo einer anderen Konversation hallt in sein Bündel des Glasfaserkabels hinüber. Aber sonst geht es nicht übel.
Und dann spricht Herr Trevor: »Here ist Trevor, ich bin Herrn Johnsons persönlicher Assistent. Was kann ich für Sie tun?«
Der Müller nochmals, wer er ist und »sprechen Sie bitte langsam« und »Rupert ›Love‹ Cartwright sprechen«, und »Fragen in einem Fall von Schweinemord«.
Und Herr Trevor: »Wie bitte?«
Der Müller erklärt das Nötigste in Kürze, mit grossem Herzklopfen. Hoffentlich denken die nicht, da ruft ein Spinner an. Ich sagte es, er hat die englische Sprache nicht mit der Muttermilch ausgetrunken. Aber – siehe oben – es geht. Richtet an Herrn Trevor die Routinefragen, die er eigentlich RLC stellen wollte: Fragt Herrn Trevor, ob RLC am fraglichen Tag im August in Zürich war. Wen RLC in Zürich kennt. Ob er Feinde hat, denen Herr Trevor einen Mordanschlag zutrauen würde.
»Feinde? Nein, Benny! Rupert hat nicht. Er ist ein Star. Er hat nur Freundinnen und Freunde – und vor allem eine Hölle von viel von Fans«, sagt Herr Trevor, »aber das ist meine persönliche Meinung.«
Und Herr Trevor sagt auch, »Benny, ich kläre das ab«, weil er zuerst mit Herrn Johnson und dann mit dem persönlichen Assistenten von RLC sprechen muss und natürlich mit dem Rechtsdienst.
»Sie hören bald von uns, Benny«, sagt Herr Trevor, »spätestens morgen Nachmittag.«
»Klingt gut«, sagt der Müller, nennt alle seine Telefonnummern und dankt für die Bemühungen und sagt »bye bye«. Als er im Telefonhörer das amerikanische Besetztzeichen hört, merkt er, dass er nochmals das »thank you« vergessen hat. Trotzdem ist er ziemlich zufrieden mit sich, weil er das können hat. Gut, das eine oder andere Mal musste er dazwischen sagen: »Verzeihung, bitte wiederholen Sie« und »ähm« zum Zeitgewinn für Denkpause. Aber im Ganzen ging das glatt. Aber dass ihn Herr Trevor einfach »Benny« genannt hat, irritiert ihn ein wenig, er kennt ihn ja eigentlich nicht.
Mit diesem Erfolgserlebnis in den Segeln will der Müller jetzt noch einmal zum Schwendihof nach Oberlunkhofen. Nicht nur, weil es ihm dort so gut gefallen hat. Vielleicht liegt der Hase ja doch in Oberlunkhofen begraben. Er muss etwas unternehmen. Vielleicht
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