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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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findet er dort einen Hinweis voll Triftigkeit, und der Bauer und die Bäuerin und die drei Kinder könnten ihm beim ungezwungenen Gespräch »zufällig« etwas ausplaudern, von dem sie selber gar nicht wissen, dass sie es wissen. Aber den »Zufall« piksen hier von beiden Seiten her ganz bewusst die Anführungszeichen, weil »den Zufall gibt es nicht«. Das schrieb einst Diodoros. Es ist Müllers feste Überzeugung: Es hat plus-minus alles einen Sinn. Das würden selbst Jesus, Buddha, Marx, Engels, Laotse, Platon, Aristoteles, Cicero, Schopenhauer, Heidegger, Augustinus, Baudrillard, Goethe, Thomas von Aquin, Hildegard von Bingen, Jean-Hugues de la Motte-Radabam und der Prophet Mohammed unterschreiben. Selbst wenn der Wind eine rostige Konservendose, wo vorher von Fall zu Fall Erbsen oder Schwarzwurzeln oder Ravioli darin wohnten, quer über die Strasse scheppert, das bedeutet etwas. Das muss man dann herausfinden.
    Der Schwendihof und Oberlunkhofen liegen, das habe ich noch nicht erwähnt, trotz zürcherischer Postleitzahl auf der katholischen Seite der Kantonsgrenze. Das merkt man, auch wenn katholisch oder evangelisch-reformiert heute nur noch für wenige Menschen wichtige Wörter sind. Ob ein Kreuz oder ein Hahn auf dem Kirchturm ist, kümmert fast keinen mehr. Geblieben ist aber bis heute, dass es bei den einen mehr alte Gasthöfe gibt und bei den anderen mehr Bibelleser. Die einen können besser trinken und die anderen besser lesen. Den einen sagt man nach, dass sie lustiger sind und feiern, sobald sich ein Grund dafür auftut; den anderen, dass sie besonders fleissig arbeiten können. Heini und Marie Angst-Schwerzmann müssen demnach eine Kombination sein. Sind fröhliche Menschen und gute Schaffer. Das strahlt dir sofort entgegen, wenn du in der Reusstal-Landschaft den Schwendihof siehst. Wie er sich im Schatten der Pappeln und Ulmen und Buchen und Eichen am Hügelzug räkelt, könnte man wirklich das Gefühl haben, aus dem Paradies seien die Menschen nie vertrieben worden. Blitzsauber liegt der Schwendihof da, gekost von geschaffigen Händen, gepflegt von kräftigen Armen, durchschallt von glockenhellem Kinderlachen und fröhlichen Vogelkehlen, die in den Wipfeln der umstehenden Bäume glücklich auf ihren lustig gesprenkelten Eiern sitzen.
    Der Müller geht nass geschwitzt die paar Schritte von der Postautohaltestelle zum Hof. Dieses Mal hat er zwar den Autoschlüssel gefunden, doch graute ihm vor der aufgeheizten Blechbüchse. Schon umspringt ihn der Hofhund, der treue Bläss, und schleckt dem Müller die Hand und wedelt mit dem Schwanz, dass alles bäuerlich-heimatlich aussieht wie in der Werbung einer bestimmten Partei, für die der Müller nie wählt – und Heini und Marie Angst-Schwerzmann übrigens auch nicht. Es gibt nämlich eine Schnittstelle zwischen sozialdemokratischer und christlichsozialer Wählerschaft, falls Sie das interessiert.
    Unter dem stämmigen Holunderbaum sitzen die Angst-Kinder an einem alten Naturholztisch und trinken Holundersirup und unterhalten sich über die Regenwürmer und die Schnecken und die Mäuse. Der Müller kann natürlich nicht einfach zu den Kindern hingehen und fragen: »Wisst ihr, wer euren Schweinen Gift ins Essen getan hat, sodass neununddreissig von den ungefähr zweihundert Schweinen qualvoll in die ewigen Jagdgründe eingegangen sind, was euren Eltern einen Verlust von circa Schweizerfranken 14’500 verursacht hat, sodass ihr eure Skiferien und das Jungwacht- und Blauringlager für viele Jahre vergessen könntet, wenn eure Eltern nicht äusserst vernünftig wirtschaften würden? Weil versicherungsrechtlich ist das schon ein Problem. Wird die Täterschaft nicht festgestellt, kann niemand für den Schaden haftbar gemacht werden.«
    Nein, das denkt er nur, denn so kann er mit den drei Kindern vom Schwendihof wirklich nicht sprechen. Aber wie mit Kindern reden? Weiss er nicht immer so genau. Versucht es mit Methode »sich selber sein«. Hatte damit schon Erfolg bei seinen Nichten und Neffen. Also nicht sich anbiedern und »cool« oder »vollgeil« sagen oder von Spiderman erzählen. Sich nicht mit Spässen zum Affen machen.
    Deshalb sagt er nur »sali mitenand«, setzt sich an den Holztisch und fragt, ob er auch einen Holundersirup mittrinken darf.
    Dann sagen die Kinder: »Wir sind der Gustav, der Meinrad und das Annerösli.«
    Und der Müller sagt: »Ich bin der Müller.«
    Und die Kinder sagen: »Hältst du uns für dumm? Du warst ja schon mal bei uns. Wir

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