Mueller und die Schweinerei
Maus kriegen können. Screenshot, Screenshot und ab in die Akte. Können aus Datenfragmenten Tatbestände wiederherstellen. Die können wahnsinnig viel in nullkommanichts herausfinden.
Der Müller muss den Dienstweg wählen. Weil die Dandys gehören zu einer anderen Abteilung, anderer Controller, andere interne Kontierung. Da darf der krankgeschriebene Kriminalpolizist nirgends als Besteller von Arbeitsleistung (= Arbeitsstunden) auftauchen. Sonst interne Kontrollmechanismen Reporting Probleme für Peter Wunderli, der Müller auf falscher Kostenstelle arbeiten lässt.
Also der Müller Anruf Wunderli. Wunderli Anruf Dandys.
Auftrag: Alles herausfinden über Finanzsituation von Biorestaurant Sumatra und Küchenkünstler Joachim Scharpf. Und gleich noch Finanzsituation von Paul Meierhans.
Zusatz 1: Bitte schnell, zuerst Scharpf.
Zusatz 2: Bitte sofort.
Auch ein »Sofort« braucht etwas Zeit. Zeit für den Müller, um noch etwas über den grossen Rollschinken nachzudenken und darüber, was es damit auf sich hat. Und Zeit, damit er das Auto am Rigiplatz holen kann, das er gestern Nachmittag bei Borowskis Praxis hat stehen lassen.
Mit dem Wagen schon fast zu Hause, klingelt dem Müller sein Mobiltelefon. Im Fahren telefoniert er nicht gerne, ist auch nicht erlaubt, wenn nicht Freisprechanlage. Aber jetzt muss es sein. Es ist Peter Wunderli, und er sagt: »Die Kurzfassung ist: Joachim Scharpf ist nur Minderheitsaktionär bei der ›Sumatra Biogastro AG ‹, ihm gehören 50’000 Franken des Stammkapitals. 250’000 gehören einer ›International Gastro Finance SA ‹ mit Sitz auf Blue Rock Island.«
»Klingt wie in einem Piratenfilm«, sagt der Müller.
»Da liegen Sie nicht falsch: Ist eine britische Kronkolonie in der Karibik. So geheim, dass sie auf keiner Landkarte auftaucht. Sie können sich die regulatorischen Vorschriften dort vorstellen.«
Bankensorgfaltspflicht, Due Diligence und so weiter: niente. Reine Finanzmafia.
»Und wem gehört diese ›International Gastro Finance SA ‹?«
»Die Dandys haben sich durchs halbe Internet gewühlt. Sie machen weiter. Aber einen Namen haben sie schon, der direkt mit Zürich in Verbindung steht: Hauenstein –«
»Bin schon fast da«, sagt der Müller, drückt den Chef aus dem Telefon und wechselt den Kurs: Statt nach Wiedikon reisst er das Lenkrad herum in Richtung Altstetten, Baslerstrasse, zum »Verband der Fleischfressenden Industrie«.
Am Empfang leider nicht C. Büttikofer, sondern die Alte, die ihn beim letzten Besuch verabschiedet hat. Kurze Enttäuschung.
»Zu Herrn Hauenstein wollen Sie?«, fragt sie, deren Namen er erst gar nicht wissen will.
»Ja, bitte«, sagt der Müller und sieht, dass an der Wand ein neues Plakat hängt. »Grill Chill« und »Steak Break«: Kampagne zur Grillsaison. Macht Hunger.
»Herr Hauenstein ist nicht im Haus«, sagt die Empfangsdame.
»Es ist dringend«, sagt der Müller.
Der C.-Büttikofer-Ersatz telefoniert. Legt auf. Dann beugt sie sich mit viel Ernst im Blick vor. Zwischen ihr und Müller, nur durch die Empfangstheke und wenige Zentimeter getrennt, steht »F. Gonzalez« auf dem Schild auf ihrem Busen. Der Müller schaut eine halbe Sekunde zu lang. Als er es merkt, lächelt er. Sie lächelt zurück.
»Ich dürfte Ihnen das nicht sagen: Er ist im Paläontologischen Museum. Erzählen Sie ihm nicht, dass Sie das von mir wissen.«
»Danke«, bedankt sich der Müller und verspricht, nichts zu sagen.
Nickt zum Abschied, geht vom klimatisierten Empfang des »Verbands der Fleischfressenden Industrie« wieder in die Sauhitze hinaus, setzt sich in den Wagen, schiebt den Regler vom Klima ganz an den Anschlag und denkt: Schon ein seltsamer Verband, das. Müller kennt das Paläontologische Museum. Drinnen war er seit Jahren nicht mehr. Er hatte einmal eine Freundin mit zwei Kindern, Knaben von sechs und acht Jahren. Die mochten Tiere, die es nicht mehr gibt.
Zündung, erster Gang, Kupplung, zweiter Gang, so geht das hoch mit dem Getriebe, und er fährt am Stadion vorbei, die Badenerstrasse rein, Baustelle, halb um den Albisriederplatz, weiter die Badenerstrasse, Lochergut, Baustelle, Kalkbreite, Baustelle, Werdstrasse, Sihlbrücke, Sihlporte, Baustelle, rechts Richtung See … schliesslich Bürkliplatz, Quaibrücke, ums Bellevue rum, Tortur, Baustelle, die Rämistrasse hoch Richtung Universität, von Weitem erkennbar an ihrer grünen Kuppel. Am Haupteingang vorbei, scharf links in die Karl-Schmid-Strasse. Rechts,
Weitere Kostenlose Bücher