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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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wegen Nachbarin, bisschen Ärger, weil Kinder Schulhaus vis-à-vis viel Lärm und Fussball und Geschrei und Pausenglocke laut, wenn nicht Ferien, und Müllecke: Montag Abfuhr Müllauto und schon Montagabend neue Müllsäcke und zerlegte Schränklein und Verpackungen und klebriges Zeug und Wespen und zweifelhafte Rinnsale aus Sack und vor allem im Sommer Geruch. Geruch: «Uäääk!» Das ist alles, aber sonst nichts. Was der Müller tut. Und der Mensch muss etwas tun. Anthropologisch wichtig. Weil suspendiert = angeschmiert. Mensch muss etwas mit Sinn tun: Kaffeerahmdeckeli sammeln, Geld verdienen, Wandern, Schlauchboot fahren, sich aus Flugzeug oder von Brücke mit Gummiseil stürzen, Gummibärchen designen, Diätfasten oder ein Hobby. Schon früher erkannte Tatsache: «Homo ad agendum natus» (Cicero).
    Deshalb sass der Müller in der Nacht am elektrischen Computer, schrieb Notizen über Sandra Molinari solo und mit Spitfire und Hellhound , aber war müde und ging bald schlafen. Fenster offen, weil Sauhitze legte sich etwas, weil Mitternacht vorbei, und er schlief. Und wie es halt so ist, träumt es ihm nochmals böse, erinnert sich am Morgen nicht mehr, aber zum Glück sind wir da, schauen in seinen Kopf hinein und sehen die Bilder, die sich da abspielen, kleine Details am Rande des tagsüber Erlebten, scheinbar absurd, aber doch aufschlussreich, und zwar: Neonrote, neonblaue, neongrüne, neongelbe Leuchtspiralen, erstaunlicherweise nur zweidimensional, drehen sich vor pechschwarzem Hintergrund über dem Holzsonnendeck am grünen Fluss Limmat, und typografisch korrekt schweben die Devisen- und Notenkurse aus der «Neuen Zürcher Zeitung» durchs Bild, kannst ja nachschauen, wie dort es aussieht, nicht eigentlich zum Sehen attraktiv, das erspart uns die Beschreibung: ein Euro soundsoviel Franken, ein britisches Pfund soundsoviel Franken, eine schwedische Krone soundsoviel Franken, ein US -Dollar soundsoviel Franken und so weiter, und viele Kurven und Grafiken und Zickzacklinien, und das meiste zeigt ständig ein bisschen oder schnell abwärts, obwohl die Wirtschaftswissenschaften behaupten, sie seien eine Wissenschaft. Das ist ganz interessant. Und aus dem gesagten dunklen, finsteren Nichts hallt schon ein bisschen unheimlich eine grausliche Flüsterstimme, die aus dem Weltraum herbeiflüstert: «Die Fpur führt inf Mufikgeschäft.» Wahrscheinlich sagt die Stimme in Wahrheit: «Die Spur führt ins Musikgeschäft», aber die Übertragungsqualität lahmt sehr, weil komprimiert und aus dem U-Bewussten, denn manchmal hat man so eine Eingebung, und man weiss nicht, woher sie kommt, aber oft wird sie wahr, und man kommt wie die Jungfrau zum Kind beziehungsweise die Polizei zur Lösung → Fahndung → Festnahme → Verhaftung → Prozess → trotz psychiatrischem Gutachten Verurteilung → Berufung → abgewiesen → Strafe bestätigt, verschärft oder etwas milder → jedenfalls Haft. Und das ist weiss Gott nicht lustig. Man hätte halt nichts Böses tun sollen. Jetzt ist es zu spät, und man ist aus dem Verkehr gezogen. Das Gesetz will es so.
    Aber der Müller Benedikt, Polizeimann a. D., schläft weiter und erinnert sich am Dienstagmorgen an nichts, nur in seinem Hinterkopf hat sich wie ein Samenkorn die Erkenntnis festgesetzt, die keimen, reifen und wachsen wird im Laufe der Zeit, wenn Rat kommt. Auf den Kopf gefallen ist er nicht. Lassen wir ihn noch schlafen, aber es wird jetzt schon hell und noch wärmer, und in diesem Sommer wacht man automatisch auf, wenn es heller wird, weil hell = noch wärmer, nein: heiss = Schweiss, und da kann kein Mensch mehr weiterschlafen. Also hopp unter die Dusche, wir schauen weg, weil auch Müller hat Anrecht auf Privatheit, wir müssen gar nicht alles wissen, was er für sich persönlich so tut und wo ihn Pickel plagen. Jedenfalls kommt er sauber aus der Dusche, brüht Kaffee, holt die Zeitung und liest zuerst den Wetterbericht, weil es keine Fussballresultate gibt, weil Meisterschaftspause. Das ist der Nachteil vom Sommer.
    Die Zeitung ist interessant, deshalb muss sie jeden Morgen da sein. Obwohl zurzeit da drin bloss das Monster von Loch Ness und Gurken und Sommerserien. Da fällt sein Auge, also eigentlich nicht, das bleibt zum Glück in der Höhle drin, da fällt sein Blick im Lokalteil auf eine Nachricht, die den gestrigen grausigen weiblichen Leichenfund betrifft. Aber der Müller hat im Dienst viel Schlimmeres gesehen, nur kongruent im Ergebnis: Leiche tot. Im Artikel nichts

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