Mueller und die Tote in der Limmat
veranschaulicht als Mindmap mit Ovalen, Kreisen, Linien, Pfeilen und Zusammenhängen oder als Powerpoint-Präsentation mit Folie eins, Folie zwei bis Folie fünfundzwanzig, und immer vorlesen, was gerade an die Wand projiziert, weil der Chef die Zuhörenden für Idioten hält. Denn in Wirklichkeit können sie lesen und denken, aber das weiss der Chef vielleicht nicht, weil er mit den Zuhörenden im Büroalltag nichts zu tun hat, sondern nur mit dem Kopfnicken vom Kader. Das kennt der Müller auch von der Polizei. Warum soll Verbrechensbekämpfung anders funktionieren als privatwirtschaftlicher Firmenalltag? Aber der Müller ist in der Ermittlung ohnehin noch nicht so weit, dass er Mindmaps kritzelt oder Powerpoint oder interaktiven «user generated content» herstellen kann, weil die Informationen hinken noch etwas der Notwendigkeit für lückenlose Beweiskette hinterher.
Die Frage «Wer tötete Sandra Molinari und warum?» bleibt brandaktuell.
Der Müller taumelt also.
Er weiss erst zu wenig. Keine Bange, das kommt schon noch. Jetzt aber vorwärts und nichts vergessen. Vor der Haustür an der Bertastrasse soundso, wo Michael Hauser wohnt, steht ein anderer. Er drückt auf Michael Hausers Klingel, wie vorhin der Müller. Hoffentlich hat Hauser noch Kaffee, schiesst es dem Müller Beni durch den Kopf.
Der vor der Tür mit dem Finger an der Klingel auf dem Knopf drauf ist kein anderer als der Boulevardzeitungsmusikchef Tobias F. Hubacher (51). Der Müller kennt ihn aus der Zeitung und aus dem Fernsehen, wo er eine Oldie-Show moderiert. Sein Lieblingswort dort lautet: «Ich». Da ist er nicht der Einzige im Showbusiness, der das gerne sagt. Der Müller drückt sich unauffällig an ihm vorbei, weil die Boulevardzeitung nicht wissen muss, dass der Müller ermittelt, weil er ja gar nicht im Dienst ist. Es könnte einer nämlich leichthin einen Skandal herbeiredigieren, wenn ein beurlaubter Polizist mit eigener Faust ermittelt, womöglich noch bewaffnet (aber das ist er sicher nicht) … die Polizeiwillkür und die Kompetenzüberschreitung und die Polizeibrutalität, ich sehe die Schlagzeilen schon, ich kenne diese Brüder, denen kannst du nichts recht machen: Wenn ein Verbrechen passiert, ist die Polizei der Löli, weil sie nichts gemacht hat. Und wenn die Polizei etwas macht, bevor das Verbrechen ausgeübt wird, ist sie der Polizeistaat.
Also der Müller weg und der Boulevardzeitungsmusikchef Tobias F. Hubacher flugs ins Haus. Warum macht er das nicht telefonisch, fragt sich der Müller. Weil Hausbesuche brauchen viel Zeit, aber vielleicht Face-to-face-Interview ergiebiger als telefonisches, kennt der Müller auch, weil ein Verhör ist im Grunde ein spezielles Face-to-face-Interview. Also merke: Boulevardzeitung an Geschichte dran. Plattenmann Holderegger und freier Musikjournalist Hauser für den Müller Benedikt nett, aber nicht sensationell ergiebig, gaben aber Temperatur an → Geld aus Musik wohl nicht Motiv für Todesfall. Aber was dann? «Sicher ist nichts» (O’Flaherty). Also weiter.
Ein weiterer Vertreter des Showbusiness ist Johnny Maurer. Wir haben ihn vorher beim Schmuggeln schwarzgepresster CD s erwischt. Der Müller wird ihn bald kennenlernen. Johnny hat sich schon als Teenager um die Bands von Freunden gekümmert, selbst einst Gitarre gespielt, aber gemerkt: Das Organisieren liegt ihm mehr. Ist Knochenarbeit, nennt sich Management. Braucht man. Jede Musikerin und alle Musiker und Bands mit Anspruch brauchen ein Management, das alles erledigt: Kontakte, Booking, Organisation, Verträge und Pipapo. Weil das entspringt fast vier triftigen Gründen:
1. Ist alles zu viel Arbeit.
2. Kann man sich nicht in allem auskennen und ist fürchterlich kompliziert, vor allem Verträge und juristisch.
3. Macht sich viel besser.
Wie jeder Manager nimmt Johnny Prozente für seine Arbeit, circa zwanzig auf alles, was ihn natürlich nicht mästet, weil kleiner Markt, kleine Stückzahlen, kleine Gagen und so weiter. Zwanzig Prozent von wenig ist sehr wenig. Er ist seit Jahren der Manager von Sandra und einem halben Dutzend anderer Bands und Musiker. Zum Beispiel von der Rockgruppe Spitfire (zurzeit auf Tournee) und Brutalo-Suburb-Rap-Equipe Altstetten Basterds und demnächst international renommiertem ultimativem Electro-Projekt 3 ½- Zimmer-Wohnung . Johnny kommt ursprünglich aus Schlieren, wo ist Industrievorort von Zürich. Das passt zu seiner privaten Lieblingsmusik, die alles ist, was in einer Garage Platz hat
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