Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
Vom Netzwerk:
zügellosen Sofa-Siesta. Klingelt regelrecht die Glocke im Kopf vom Müller Beni, er sieht Sternchen und Planeten und die Milchstrasse. Und das an diesem heissen Tag und bei der zähflüssigen Luft. Da kann einer schon ins Torkeln kommen. Ich meine, wenn Sie Muhammad Ali sind, stecken Sie das natürlich spielend weg. Oder der andere Kerl würde dem jetzt ein Ohr abbeissen. Aber der Müller ist ziemlich perplex.
    Weil pure Brachialgewalt auf den Strassen von Zürich. Ist grenzwertig, finde ich.
    Das geht nicht. Findet auch der Müller.
    Hey!
    Und Sie werden sagen: So etwas haben wir natürlich erwartet.
    Ich sage Ihnen: ich nicht. Bislang ging ja alles einigermassen glatt. Gut, keine grossen Sprünge nach vorn in der Ermittlung, aber auch kein Treten an Ort, weil zuerst a) Witterung aufnehmen, b) Milieustudie und c) Material sammeln in dieser Phase und d) Untersuchung ohne polizeiliche Hilfsmittel wie Uniform, Mehrzweckstock, Martinshorn, Streifenwagen, Verhörraum 419, Untersuchungsrichter, Haftbefehl, Spurensicherung, Gewahrsam, Verhaftung, Waffe.
    Und da ist das Wort wieder: «Waffe».
    Und der Müller will nicht an den Gegenstand hinter dem Wort «Waffe» denken. Aber das Denken ist in diesem Moment genau genommen schon ein grosses Problem, weil der Kleiderschrank (eigentlich eine ideale Werbefigur für den Verband der Fleischfressenden Industrie) immer noch mit schwersten Fäusten, eine links, eine rechts, wie Windmühlenflügel dreschen sie auf den Müller ein.
    Und bevor er weiss, wie ihm geschieht, hat er dem Kleiderschrank schon zwischen die Beine getreten und zusammengefaltet. Der japst nach Luft, sinkt auf das Trottoir wie der Abfall einige Meter daneben. Und der Müller denkt, das sei eine Verwechslung. Aber wer würde ihn schon verwechseln und mit wem? Das Verwechslungsmotiv hält der kritischen Interpretation dieser Situation nicht stand. Die richtige Frage lautet eher, und da sind Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mit mir sicher plusminus einig: Wer und warum will er Müller eine Abreibung verpassen? Natürlich, weil der Müller im Dreck wühlt, bisher allerdings noch nicht viel Dreck. Aber das Fragewort «Wer?» ist schon schwieriger zu beantworten, weil es viele Möglichkeiten gibt, allein etwa acht Millionen unter den Landeseinwohnern, oder dreihundertneunzigtausend innerhalb der zwölf goldenen Stadtkreise von Zürich. Wovon wir getrost die paar hundert insgesamt im Land lebenden Minderjährigen abziehen können, weil die das Verbrechen noch nicht so in petto haben. In Frage kommen theoretisch auch noch einige hunderttausend Touristen, die zum Schauen und zum Beispiel Fotos-Machen kommen und sogar im Sommer Raclette-Essen oder an die Streetparade, aber meistens nicht mit krimineller Absicht. Nicht alle Menschen hegen Böses im Schilde. Aber denken Sie jetzt bitte nicht, der Müller hat Vorurteile gegen andere Menschen und Touristen. Nein, nein, er ist manchmal auch einer, war auch schon ausserhalb, und wir brauchen sie und unsere Volkswirtschaft auch, weil die Berge schön sind und die Hotels sonst leer stehen, und das geht natürlich nicht wegen der Heizkosten, hinter denen die Emirate stecken.
    Der muskulöse Kleiderschrank, der jetzt zu Boden gesunken ist und die Augen in ihren Höhlungen verdreht, er hat den Müller unterschätzt, der, obwohl 45, jetzt weisst du’s nochmals ganz genau, die Nahkampfausbildung «Combat» der Polizei natürlich dermassen im U-Bewussten verankert hat, dass er sofort, ohne nachzudenken, die Bewegungsabläufe abrufen und zurückschlagen kann, sobald nötig und wenn nötig und diesmal sicher sehr nötig, wie wir gerade gesehen haben.
    Der muskulöse Neandertaler-Kleiderschrank mit dem Kugelkopf will nicht sagen, wer er ist. Doch da hat er nicht mit der Beharrlichkeit vom Müller gerechnet.
    Müller sagt nämlich: «Auf wessen Befehl handelst du?»
    Und das ist ein gemeingefährlicher Genitiv und deswegen nicht in allen Fällen jedem verständlich. Moderner formuliert: «Wer hat dir gesagt, mir voll in die Fresse zu schlagen?»
    Und, materieller gezielt, feuert der Müller die Frage ab: «Hast du das gratis getan oder nicht?»
    Der Kleiderschrank bleibt stumm, hat wieder klare Luft geschöpft, wechselt Farbe wieder zurück, atmet aber noch schwer, weil so ein Schlag in die Kronjuwelen, nun ja, das wünscht man weder Mann noch Frau.
    Und bevor der Kugelkopf sich doch noch zur Antwort entschlösse, mitten in der beklemmenden Befragung des Riesen durch den Müller,

Weitere Kostenlose Bücher