Mueller und die Tote in der Limmat
erkennen könnte, was los ist.
So kann man sich täuschen.
Weil wir natürlich nicht alle Geheimnisse der Polizeimethoden und Ermittlungen und Spezialtricks und Wissenschaftstrümpfe der Spurensicherung kennen, welche die Polizei nicht verraten tut. Dann noch die Pathologie-Mysterien von Dr. Brenda Marquardt. Die Datenbanken, wo Tonnen von Informationen speichern und Suchfunktionen haben, das glaubst du nicht. Und die internationale Vernetzung bis Lyon und Quantico und Langley und Bern. Darum: keine Details zu Abläufen hier. Kein Know-how dem Verbrechen, das sicher auch mitliest. Weil sonst weiss das Verbrechen und seine finsteren Spiessgesellen am Schluss noch zu viel über die Polizeimethoden und Ermittlungen, ja sogar, wie eine Grossfahndung funktioniert, was eine ganz mächtige Maschine ist, die die Polizei anwerfen kann, wenn nötig, um besonders gefährliche Täter dingfest zu schnappen. Kostet zwar und wird nur in wirklich dringenden Fällen angewandt, etwa wenn Gefahr im Verzug, aber lohnt sich, weil Fahndungserfolg sehr, sehr hoch. Da sagst du nichts, wenn du das einmal schwarz auf weiss statistisch siehst.
Aber jetzt immer noch Dienstag, und der Müller ist schon etwas müde, weil zuerst die halbe Nacht in Filzpantoffeln im Internet und dann morgens verschiedene Besuche und Befragungen, und schliesslich ist es Sommer und heiss, und die Leute rennen mit viel blosser Haut am Leib herum, bräuchte man doch ein bisschen Zeit zum Schauen, also bitte, ehrlich: Warum soll er sich bei dieser Sauna-Sauhitze so abstrampeln? Es ist nämlich Mittag geworden und tropisch brutal die Sonne, wie Rasierklingen trommelt sie vom Firmament, also nach Hause und Siesta und vorher noch etwas Leichtes essen und hinlegen und gegen Abend weiter, wenn es etwas kühler ist, falls es das ist.
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Wir nutzen die Zeit für eine Erklärung. Sie haben es schon gemerkt: Das Verbrechen in der Geschichte «Müller und die Tote in der Limmat» passiert hier nicht da, wo man immer denkt, es passiert, nämlich an der Langstrasse, wo das Verbrechen zu Hause sein soll. Im «Kreis Cheib», wie kein einziger Eingeborener sagt, sondern nur die Doofen. An der Langstrasse sind viele Drogen und das Sexmilieu und viele Ausländer und viele Internet-Start-ups und Freiberufler. Aber wenn man sagt, dort ereignet sich und grassiert das Verbrechen, dann stimmt das so nicht, billiger Trick, weil nicht nur Drogen und Sexmilieu und Ausländer und Internet-Start-ups und Freiberufler führen zu Verbrechen, manchmal ja schon, aber auch viele andere Leute. «Das Verbrechen», schreibt schon Jean-Hugues de la Motte-Radabam, der berühmte französische Sozialhistoriker und Frühaufklärer im 17. Jahrhundert, «schlummert in jedem von uns, ungeachtet von Geschlecht, Alter, Nation, Religion, Einkommen, Stand». Sagen wir es so: Das Verbrechen ist unabhängig von ausweisrelevanten Faktoren. Es kann überall von jeder Täterschaft brutal ausgeübt werden. Es ist demokratisch. Und der Gelehrte hat recht, besonders heute. Davon kann der Müller ein Lied singen, aber das wäre kein schönes Lied mit Hitparadenambition und Melodie und Bumm-Bumm-Tscha-Ka-Ka-Ka-Bumm-Bumm, sondern mehr so ein Strassengrabensong. So ein bisschen Nick Cave alias Keller Niggi, wie er bei uns heissen würde. Es leben nämlich in dieser Stadt auch viele Schweizer Verbrecher, das muss man schon sagen, auch das schleckt keine Geiss weg. Die können das auch recht gut verüben, das Verbrechen. Und die vielen zugezogenen Deutschen sind auch nicht krimineller als die eingeborene Bevölkerung. Muss man klar sehen. Aber erst wenn man tief hinter die Fassade gebohrt hat, sieht man das, weil in der Wirklichkeit ahnt man nichts vom Verbrechen, denn es sieht aus wie ganz normal. Man merkt das Verbrechen erst, wenn es sich ereignet und geschehen ist, und dann ist es zu spät. Dafür gibt es 117 die Polizei und den Müller Beni. Aber wie gesagt: In unserem Fall Sandra Molinari findet das Verbrechen nicht im Klischeeverbrecherviertel unserer Stadt Zürich statt (ja, Schattenseiten hat auch deren schöner Glanz), sondern im Stadtzentrum. Und die Ermittlungen führen unseren Müller zwar ins verwegene Grenzgebiet von Wiedikon, wo der Müller in der Regel nachts schläft, und vom Kreis 4, zu dem neben der Langstrasse auch die Ankerstrasse von Johnny Maurer dazugehört – und die Elisabethenstrasse, wohin der Müller auch hin ermitteln und befragen geht (Wohnung von «Huber, Molinari, Krstic»), liegt weiiit
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